Exklusive Judas Priest Vinyl mit dem Metal Hammer 03/24

Kiss-Interview zum neuen Album MONSTER: Überlebens-groß

von
teilen
twittern
mailen
teilen

Entgegen aller besungenen Behauptungen beginnt der Kiss-Arbeitstag anno 2012 pünktlich um neun Uhr dreißig. Gut, abends wird mit einem kuscheligen 2000-Mann Gig im Londoner HMV-Forum (METAL HAMMER berichtete) das ‘Rock And Roll All Nite’-Credo noch erfüllt, doch anstelle eines „Party every day“-Programms steht für Gene Simmons und Eric Singer an diesem wechselhaften britischen Sommermorgen ein prall gefüllter Pressetermintag an.

Schließlich gibt es diverse Erweiterungen der Kiss-Produktpalette vorzustellen, allen voran das neue Album MONSTER. Die andere, gleichnamige brandaktuelle Devotionalie findet sich derweil im englischen Landhausstil-Konferenzraum des Interview-Hotels schon ansprechend aufgebahrt. Im praktischen 90×76 cm-Ausmaß und mit großformatigen Fotoseiten, die das jugendzimmerliche DIN A1-Posterformat somit locker in die Tasche stecken, ist dieser beeindruckende Geschichtsbildband ein wahrlich beachtlicher Kiss-Klopper. Oder, wie Paul Stanley es bereits treffend formulierte: „Das ist kein Buch für den Wohnzimmer-Beistelltisch – das ist ein Beistelltisch.“

(…)

Führung im MONSTER-Truck

Kiss erleben in der Besetzung Stanley, Simmons, Singer und Thayer momentan ihren dritten Frühling, so viel steht fest. „Wir vier ziehen an einem Strang. Einer für alle, alle für einen. Die Musik ist super, die Chemie stimmt, alle in der Band singen und wir geben einander Rückendeckung. Dazu schreiben auch alle Songs – das ist ein echter Wagen mit Vierradantrieb. Und genau das ist das einzige, was wir von Kiss immer erwarteten. Die Band wurde daraufhin ausgelegt – wir wollten immer wie die Beatles auf Steroiden sein“, fasst Gene den momentanen Status zusammen und holt noch weiter aus: „Jedes Mitglied in der Band ist wichtig, jeder ein Star, der mal ans Mikro und ins Scheinwerferlicht darf. Die Band ist in super Form. Vielleicht besser denn je.“

(…)

Dass Stanley Singer und Thayer im Studio an die Hand nimmt, überstrapaziert die Vorstellungskraft jedoch auch nicht so weit wie ein wohlmögliches Szenario, in dem Paul Gene im Aufnahmeraum verbindliche Direktiven erteilt – um unsererseits bei der etablierten Autoanalogie zu bleiben. „Es sind weniger Anweisungen oder Befehle, sondern eher Anregungen, die er gibt. Im Sinne von: Probier das mal so und so aus“, rückt Gene dann auch schnell gerade. „Manchmal kam Paul mit bestimmten Arrangements an, die wir dann auseinandergepflückt haben. Selbst wenn alles schon fast im Kasten war. ‘Hell Or Hallelujah’ war so ein Fall. Das Stück war quasi fertig, aber mir gefiel der Chorus nicht so richtig. Mir sind dann noch ein paar Melodielinien eingefallen, und dann haben wir uns hingesetzt und das Ganze noch mal umgeschrieben. Andersherum genauso: ‘Wall Of Sound’ habe ich mit Paul zusammen geschrieben und hatte darin ein paar komplett fertige Zeilen. Als ich diese dann singen wollte, meinte Paul, dass der Text so nicht richtig funktioniert, also haben wir das auch umgeschrieben. Unser Ansatz war, dass wir uns alle gegenseitig anspornen und fordern“, so Simmons.

(…)

Das Resultat dieser Vision ist ein kohäsives und dennoch abwechslungsreiches Kiss-Album, dem man schon nach der ersten Hörrunde ziemlich viele Treffer bescheinigen kann: Das programmatisch wummernde ‘Wall Of Sound’, der flockig tänzelnde Stanley-Rocker ‘Freak’ oder der im archaischen Proto-Punk polternde Gene-Stampfer ‘Back To The Stone Age’, von dem eine magische Ursuppen-Faszination ausgeht. ‘Eat Your Heart Out’ gewinnt mit Kuhglocken-Coolness, ‘The Devil Is Me’ ist ein dämonisch schleppendes Simmons-Lippenbekenntnis mit Zungenlecker, und auch sonst sitzen ziemlich alle Hit-Haken.

Thayers spacige Ace-Anspielung ‘Out Of This World’ hat Biss und eigenen Charakter, das von Paul für Eric geschriebene ‘All For The Love Of Rock & Roll’ die songschreiberische Leichtigkeit und Qualität einer Nummer von Stanleys Siebziger-Soloalbum, und das anzügliche ‘Take Me Down Below’ mit klassischer Simmons/Stanley-Strophentrennung und seinem patentierten Hymnen-Kehrvers die Klassiker ‘Shout It Out Loud’ und ‘Lick It Up’ als Paten. Unter Stanleys kompromissloser Leitung haben sich Kiss selbstreferenziell und sogar über den Kiss-Kosmos hinaus im modernisierten Siebzigergewand ihr jüngstes Frische-Update verpasst.

(…)

Der Freak im Hintergrund

Ein paar Wochen und MONSTER-Runden später ist es dann endlich auch an der Zeit, denjenigen zu Wort kommen zu lassen, der bislang nur in der dritten Person präsent war: Paul Stanley. An einem Pausentag der gerade in den USA laufenden Co-Headliner-Tour mit Mötley Crüe hat sich Paul – ebenfalls in der Frühe – für uns ans Telefon geschwungen und erklärt seine Vision und Version des Albums. „Die Priorität bei MONSTER lag darauf, nicht einfach nur ein tolles Kiss-Album, sondern überhaupt ein super Rock-Album zu machen. Die Idee war, dass wir erkunden, wer wir heute sind und wofür wir stehen, anstelle sich allein von unserer Vergangenheit einnehmen zu lassen. Ich denke, das ist der größte Unterschied zu SONIC BOOM. Ich hatte kein Bedürfnis, auf MONSTER allzu viele Referenzen an unsere frühen Alben unterzubringen. Klar gehört unsere Vergangenheit zu unserer Identität, aber ich wollte mir davon keine Handschellen anlegen lassen. Es war der nächste logische Schritt“, so Paul im bedacht reflektierenden Tonfall eines Mannes, der sich nicht allein in das Kiss-Korsett der frühen Siebziger pressen lassen will und der mit sich selbst und seiner aktuellen Arbeit zufrieden ist, das aber nicht jedem überdirekt aufs Brot schmieren muss.

(…)

„Ein großes Problem, was unsere Band immer wieder erfahren hat, war diese Instabilität des Line-ups. PSYCHO CIRCUS war ein Alptraum, weil es da Kiss als Band nicht wirklich gab. Es war eine traurige Wunschvorstellung. Zwei Leute saßen im Studio und wollten eine Kiss-Platte machen, während die anderen beiden uns ihre Anwälte auf den Hals schickten“, reflektiert Paul die unglücklichen Umstände des halbgaren Reunion-Albums von 1998. „Erst mit Tommy und Eric als nunmehr stabile, feste Besetzung wollte ich wieder ins Studio gehen und ein neues Album machen. Und dann auch nur unter der Prämisse, dass ich es produziere. Einfach aus dem Grund, weil mir eine feste Struktur und Qualitätskontrolle vorschwebte. Ich wollte, dass jeder in der Band sein Bestes gibt, anstatt gar nicht erst aufzukreuzen oder andere für ihn die Songs schreiben zu lassen und dann seinen Namen darunter zu setzen. Ich wollte, dass jeder voll bei der Sache ist“, so Stanley weiter.

(…)

Paul, das Kraken-Orakel

„Dass ich ab einem gewissen Punkt nicht mehr in der Band aktiv sein werde, ist einfach nur realistisch“, so der Sechzigjährige unumwunden. „Aber Kiss werden immer mit mein Baby bleiben. Ich würde Kiss nie komplett ad acta legen und abschreiben. Die Idee und Philosophie bei Kiss war aber auch immer schon die, dass keiner von uns unersetzbar ist. Das Kiss-Konzept war und ist, dass diese Band größer ist als ihre individuellen Bestandteile. Das bedeutet zwangsläufig, dass diese Regel auch für mich persönlich gilt. Tommy ist fantastisch, Eric auch – sie sind perfekt für Kiss. Aber die Idee, dass Kiss nur aus den immer gleichen vier Leuten bestehen und funktionieren kann, ist genauso albern wie die Annahme, dass ein Footballteam nur in einer einzigen Mannschaftsaufstellung funktioniert. Es wird also der Tag kommen, an dem ich nicht mehr aktiv in der Mannschaft bin. Und ich bin absolut zuversichtlich, dass es Leute gibt, die meinen Platz einnehmen und auf ihre ganz persönliche Weise der Band neue spektakuläre Impulse geben können.“

Mehr von Kiss und dem neuen Album MONSTER lest ihr in der großen Titel-Story unserer Oktober-Ausgabe.

Das Heft mit dem exklusiven „Alben des Monats“-Buch kann einzeln und innerhalb von Deutschland für 7,90 Euro (inkl. Porto) per Post bestellt werden. Einfach eine Mail mit dem Betreff „ Einzelheft Metal Hammer 10/12“ an einzelheft@metal-hammer.de schicken.
Generell können natürlich alle Hefte auch einzeln nachbestellt werden – alle Infos dazu findet ihr unter www.metal-hammer.de/einzelheft.

Bestens informiert über dieses und alle weiteren wichtigen Themen im Metal bleibt ihr außerdem mit unserem Newsletter. Ein Mal pro Woche flattert euch übersichtlich sortiert ein Update ins Postfach. Einfach anmelden, damit euch auch sicher nichts entgeht.

teilen
twittern
mailen
teilen
David Ellefson vermisst Megadeth aus nur einem Grund

David Ellefson sprach in einem Interview mit The Metal Voice darüber, ob Dave Mustaine jemals Kontakt zu ihm aufgenommen habe, nachdem dieser ihn bei Megadeth rausgeworfen hatte. Seine Antwort: „Nein, absolut nicht. Er hat sich nie gemeldet.“ Trotzdem vermisse er es, in der Band zu spielen, wie er ergänzend erklärte. (Kein) Blick zurück? „Ich bin ein Fernweh-Typ. Mein Glück im Leben besteht darin, die Welt zu sehen und nicht nur zu Hause zu sitzen. Ich habe Letzteres versucht, aber nach etwa einem Monat langweile ich mich. [...] Also kann ich genauso gut unterwegs sein und spielen. Es gibt es natürlich…
Weiterlesen
Zur Startseite