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Tourreport: War From A Harlots Mouth feiern Abschied

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Am 16. August 2013 schrieben War From A Harlots Mouth einen Abschiedsbrief. Es fühlt sich für sie richtig an, eine unbestimmte Pause einzulegen. Nach siebeneinhalb Jahren als Band, über 500 Shows und Touren in Europa, den USA, Australien und Russland. Persönliche Gründe werden genannt neben einer direkten Kritik an der Metal-Musikkultur. „Music outside of the box“ ist zu schwach für eine auf Hype getrimmte Klangebene. Worte, denen METAL HAMMER auf den Zahn fühlen will. Also Rucksack geschnallt und ab in den Tourvan bei War From A Harlots Mouth!

06.12.2013 Cottbus – Chekov

Ihren ersten Abschied feiern WFAHM im Osten, im Cottbuser Chekov. Die Frage nach dem Warum erscheint im Nachhinein fast peinlich, lernt man diese Musikliebenden erst kennen, die aufopfernde Szenen schlicht schätzen; wissen, wo sie verborgen liegen, wo es sich wie Familie anfühlt. Ein Heim, dass sich um das eigene Wohl kümmert. Heutige Veranstalter ist die Invictus Crew, die seit vielen Jahren im brandenburgischen Dörferwirrwarr enormes Herzblut in Konzerte mit veganem Catering legt. Sie stärken feiernde Fans, für das der Osten bei Musikern bis tief in den Westen bekannt ist. Demnach schwebt ein warmer Geist der Zugehörigkeit in diesem kleinen Jugendklub; demnach dick feiern die Cottbuser diese Band, die eigentlich zu gar nichts passen will.

Eng aneinander gepresst wird „the future is now“ aus „Recluse MMX“ in solcher Präsenz geschrien, wird „Uptown Girl“ so akrobatisch in sich mehr und mehr verschachtelnden Sprüngen ausgelebt, dass Schweißtropfen in der Luft liegen. Jene alten Kracher wie „Keeping It Up“ blitzen wie Erinnerungsfetzen an eine Zeit auf, wo War From A Harlots Mouth so krass anders waren als alles, was man bisher kannte. Als sie eine künstlerische Vielfalt, einen Mut zum Anderssein  versprühten, der von der weiten Musikwelt hier und da aufgenommen wurde. Und trotzdem fragen sie sich zweifelnd, wie es viele andere mitschreien: „am I the worst man alive?“ in „To Age And Obsolete“ – Ausnahmezustand, Circle Pit und blutende Nasen schicken ins Bett.

Ausverkauf der Szene

Nach kurzer Nacht klingelt der Wecker um 7 Uhr. Der Tourvan ruft. Bis Stuttgart sind es knappe sieben Stunden. Schiere Endlosigkeit vor Augen, die gepaart mit der Müdigkeit die Gespräche in ganz flaches Terrain zwingt. WFAHM sind definitv verkannte Wortakrobaten, die nicht vor zynischstem Sarkasmus zurückschrecken. Als Simon nach der ersten stärkenden Rast dann das Rätselraten eröffnet, was mit den Aufnahmen ihrer Australientour mit Thy Art Is Murder wird, wird es bedächtig. 2014 sei angepeilt, schallt’s durch den Bus. Simon bringt Ruhe rein: „Du, nächstes Jahr sind wir aber keine Band mehr.“ Das Ende rückt langsam näher, das dringt jetzt ins Bewusstsein. Große Erinnerungen treten zu Tage: Wahnsinnig pechgeplate Momente auf Europatour 2010, wo so ziemlich alles schief ging, was schief gehen kann – Auto abgekackt, ein sturer, kroatischer Ersatzfahrer, Schlafplätze wurden gestrichen, Equipment geklaut, Gage geprellt, Heizung fiel im Van aus und diverse körperliche Verletzungen klebten wie Blei an der Band. Heute lachen sie über das Worst-Case-Szenario, das seitdem zum Glück nie wiederkehren sollte.

Neben dem Lachen und Erinnern finden die Gedanken immer wieder zum Ausverkauf von Musik zurück, zu diesen kuriosen Bands, die die Berliner schon im Abschiedsbrief via Facebook erwähnten: „Die Szene, mit der wir aufwuchsen, war eine inspirierende Subkultur, verwandelte sich aber in einen Abort der Mainstream-Zugänglichkeit“, schreiben WFAHM im Statement auf Facebook. Manche neue Bands können sie einfach nicht verstehen. Sänger Nico findet sie „frech“. Den Teufel namentlich an die Wand zu malen, macht hier keinen Sinn. Es geht um kostümierten Schlankheitswahn im Riffing und der Performance. Leichte Kost für die Massen, glitzernder Schnickschnack ohne jegliche Tiefe mit den falschen Ambitionen: Ruhm.

War From A Harlots Mouth kamen selbst zu einer Zeit hoch, als es Mode wurde, sich mit mehreren Genre-Merkmalen zu schmücken. Simples Hau-drauf-Crossover à la Limp Bizkit adé, Klassifizierungen wurden künstlerisch überreizt. WFAHM präsentierten 2007 ein erst nicht ganz ernst gemeintes „Transmetropolitan“, das aber die zukünftige Form vorgab. Passend sehen sie sich selbst zwischen Mathcore, Jazz und Black Metal. Kunst.

Extreme Metal, der schwerlich den Geschmack der breiten Masse trifft. Was die Metalcore-Kids heute hören wollen, soll „easy to consume“ sein, klinkt sich Tourmanager Martin ein. Heute, wo das Internet die Welt verbindet, schwappt ein fast alleinstehender Stil in Mode und Musik allgegenwärtig über den Erdball. Kulturen rücken zusammen, ohne sich zu kennen. Wissen ist so leicht aufzuschnappen wie nie zuvor, alles ist auf die Schnelle greifbar. Kunst tritt in den Hintergrund. Simon vermisst Eigenständigkeit. 2007 waren sie zusammen mit Dying Fetus, Cattle Decapitation und Ion Dissonance beim Vorläufer der Never Say Die!-Tour dabei, die heute von Merchhändler Impericon mit Metalcore-Einheitsbrei ausgeschmückt wird. Ein schriller Wandel zu weit jüngerem Publikum, das neben den Eltern bei ähnlichen Touren mit verdutzten Blicken Bands wie Beneath The Massacre mustert. Ein Umstand, den auch Kollege Anzo Sadoni im aktuellen Saitenhieb aufgreift: Musiker müssen auch Geld verdienen! Warum haben sich wohl sonst Despised Icon aufgelöst? Ein Grund auch für War From A Harlots Mouth, eine unbestimmte Pause einzulegen.

07.12.2013 Stuttgart – Juha West – “Metal meets Artcore VII”

Um es erneut mit WFAHMs Lebewohl-Worten zu sagen: Die “Szene” ist mittlerweile mehr Musikgeschäft, die mehr und mehr nach schaler Cola und Großraumdisco schmeckt. Für den kommerziellen Erfolg darf kein Riff den Geist von Andersartigkeit verspüren, sonst stöße er womöglich dem größtmöglichen Gaumen auf. Nach so viel wehmütiger Rückbesinnung ist es umso schöner, in einen ursprünglich gehaltenen Raum zu treten. Das Stuttgarter Juha West präsentiert zum siebenten Mal die Kunstkollektive Metal meets Artcore. Während neben der Bar Menschen tätowiert werden und Künstler ihre malerischen Ergüsse oder Basteleien ausstellen, herrschen im Nebenraum blanke Emotionen.

Schon die Opener Younger Us schreien sich mit Crust die Seele aus dem Leib. Nach Hard Rock/Metalcore von No End In Sight schlurfen die unglaublich eindringlichen O auf die Bühne. Wie eine verrückte Klangfabrik erzeugen sie mit Instrumenten wie der verzerrt hallenden Drehleier und der anschwellenden Pauke einen hypnotisierenden Schwebezustand. In Ewigkeit schaukeln sich Gitarrentöne auf. Es ist dunkel. Einnehmend. Befreiend. Die ersten Reihen schließen die Augen, wenn das Blech des einzigen Becken knarzt, wenn Effekte in die Ausweglosigkeit jagen. Nach der etwas wacher machenden Death’n’Roll-Kombo Deathrite. kneifen Planks in die gleiche Kerbe wie O, nur weit brutaler. Richtig fesselnd prallt ein Sud aus Crust, Doom, Hardcore und Black Metal gegen das steife, starr staunende Publikum, gegen runtergelassene Kinnladen. Ein Hauch von verdammt wütenden Mastodon fliegt durch den Raum, Rippen zittern. Verstörende Melodien beißen sich in die Loopstation von Gitarrist und Sänger Ralph, der dazu schrecklich gewaltig schreit. Als er nur noch gegen die Klampfe schlagen kann, fahren Der Weg Einer Freiheit die aufgewühlten Gedanken wieder runter. Ihr unverkennbar melodischer Black Metal schüttelt sanft die Leiber, lässt sie gefühlvoll in versunkenes Rot gehüllt hin und her wippen. “Unstille” sozusagen, verrät ihr aktuelles Album. Vier Fäuste versuchen vor der Bühne ein riesiges Metalhorn zu formen.

Eskalation kehrt hier nicht ein, wird sie auch nicht mehr. Purer Genuss ist heute zu Gast. Größtenteils gelähmter Stillstand bei den Stuttgarter Fans, die War From A Harlots Mouth zum Abschied gedenken wollen. Zuerst völlig unbegreiflich, doch zum Einen haben daran stundenlange Hypnosen Schuld, zum anderen dieser geniale Sound, der bei dem extrem versierten Spiel der Berliner oft nicht durchkommt. Heute wird man aber förmlich an die Wand gepresst, so durchdringend schlagen die Saitenschläge und Trommeltiraden ihr Feuer um sich. Die Klassiker “Heeey…Let’s Start A Band” oder “Fighting Wars With Keyboards” lassen Menschen kreisen, während neuere Stücke wie “Temple” oder “Vertigo” mit Erstaunen aufgesogen werden. In der Zugabe “Crooks At Your Door” wird Nicos Mikro noch ordentlich besabbert, schiebt sich eine Wall Of Death durch den dunklen Saal, dann klingen die letzten Töne von “Transmetropolitan” aus. Trotz der eher zurückhaltenden Energieschübe von der Menge bleibt dieses Konzert, dieser ganze Abend aber dübelfest in den Köpfen kleben. Allein, weil hier im Juha West so eigenständige Bands voller Leidenschaft spielten. Für sie scheint Musik Ausdruck verborgener Hemmungen zu sein. Eine Art Seelenanker, der sie sonst runterzieht, hier aber lose rausfließt. Wunderschöner Tourstart von War From A Harlots Mouth!

Freitag geht WFAHMs Farewell-Tour in die zweite Runde. METAL HAMMER ist in Leipzig wieder mit an Bord und berichtet, wie sich Nico, Simon, Daniel, Paul und Filip die Pause vertreiben wollen. Verpasst nicht eine der letzten Gelegenheiten, Deutschlands brutalste Band noch einmal live zu sehen:

WAR FROM A HARLOTS MOUTH
Farewell-Tour
Live 2013

13.12. Leipzig, Conne Island
20.12. Wolfsburg, Jugendhaus Ost
22.12. München, Feierwerk
26.12. Köln, Underground
28.12. Münster, Sputnikhalle
29.12. Bremen, Tower
30.12. Berlin, Magnet Club

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