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„Heavy Metal als Kultur“ – Tagung an der Uni Braunschweig

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Nicht mal, als einer der auch anwesenden Haarmenschen mit Kutte über dem blutrünstigen T-Shirt ein wütendes „Sprich doch mal Deutsch!“ in die Aula rief, konnte das die familiäre Stimmung verderben. Der Referent übersetzte dem Mann das Fremdwort, das Auditorium raunte sich eins zwischen Empathie und freundlichem Spott, und dann ging es auch schon wieder weiter auf dieser von theoriegestählten Thesen und schweißsprühender Empirie satten Tagung, die den schönen doppeldeutigen Titel „Metal Matters“ trug.

Die beiden Medienwissenschaftler Rolf F. Nohr und Herbert Schwaab werden in die Metal-Annalen eingehen als diejenigen, die es wagten, das Schmuddelgenre als Thema der Kultur- und Medienwissenschaften zwar nicht zu entdecken, aber doch mit einem eigenen Symposium halbwegs zu etablieren. Da hatte sich sogar die Firma Marshall nicht lumpen lassen und die obligatorische Verstärkerschrankwand gestiftet.

Die bisherigen Animositäten seitens der seriösen Wissenschaft gegenüber diesem Gegenstand konnte man gleich als Beleg für eine der – nicht unwidersprochen gebliebenen – Kernthesen des Wochenendes verstehen. Heavy Metal sei eine „residuale“ Kultur, hieß es eingangs: kultureller Bodensatz mithin, übel beleumdet bei der Dominanzgesellschaft, ohne wirklichen Einfluss auf die Leitkultur, aber auch als Gegenkultur nicht wirklich ernstzunehmen, weil die Dissidenz des Metalheads gewissermaßen am Sonntagabend mit dem Ablegen der Nietenarmbänder und Kutte endet.

Die Schwierigkeiten einer systematischen, begrifflich eindeutigen Beschreibung des Phänomens zeigen sich nicht zuletzt daran, dass sich alle diese Behauptungen zumindest teilweise auch wieder zurücknehmen ließen. Denn natürlich wird die Metal-Teilkultur sukzessive integriert vom Mainstream: Ursprünglich genrespezifische Formate wie die Power-Ballade sind längst Teil der kommerziellen Popmusik, H&M bietet Metal-T-Shirts für Kleinkinder an etcetera. Und ist diese Tagung nicht selbst Indiz genug dafür, dass Heavy Metal langsam in der Dominanzkultur ankommt? Birgit Richard wollte jedenfalls gar keinen kategorialen Unterschied zu anderen Subkulturen aufmachen: Es sei immer so, dass leichter zugängliche Bereiche in den Mainstream hineinlappten, während andere weiterhin unbescholten im Underground agieren könnten.

Tobias Winnerling betonte dann aber noch einmal die Differenzmerkmale des Heavy Metal. Und seine Foucaults Diskurstheorie fruchtbar machende Analyse besaß durchaus ihre Plausibilität. Anders als im Punk konstituiert sich die Metal-Kultur nämlich nicht ideologisch, sondern formal, meint Winnerling. Man wird zum Metalhead nicht dadurch, dass man bestimmte weltanschauliche Positionen teilt, sondern in erster Linie durch Materialkenntnis – der wichtigen Alben, der Verhaltens-, Bekleidungs- und Sprachcodes. Ein Metalhead ohne stupendes Wissen über die Musik und ihre Weiterungen ist keiner, während man sich das bei einem Punk durchaus vorstellen könnte. Obwohl also gerade diese Szene immer wieder ihre Individualität und Freiheitsliebe beschwört, ist ihr Verhalten hochgradig formalisiert.

Dieser paradoxe „kollektive Individualismus“ wirkt stabilisierend in zwei Richtungen. Zum einen nach innen. Man wird erst akzeptierter Teil der Metal-Kultur, wenn man sich entsprechend zu benehmen gelernt hat – und das schafft Kontinuität, eine Tradition. Zum anderen wirkt der vergleichsweise fest kodierte Bezugsrahmen aber auch stabilisierend auf die Gesellschaft zurück. Eine tatsächliche Rebellion findet nicht statt, sie agiert sich aus in der quasi-karnevalesken Gegenwelt der Szene. Eine wie geschmiert laufende Argumentation, der aber einmal mehr die Wirklichkeit etwas Sand ins Getriebe streute. Denn so ganz ohne Ideologie-Rudimente scheint es hier doch nicht zu gehen. Ein diffuses Dagegen, ein grundsätzliches Unbehagen an der Existenz in der industriellen Gesellschaft muss wohl, wie auch immer vermittelt, noch stets behauptet werden. Und ob die konstatierte ideologische Neutralität für das Randgenre Black Metal überhaupt zutrifft, wird man zumindest hinterfragen dürfen.

Was Heavy Metal musikalisch ist, lässt sich nach den Forschungen von Dietmar Elflein nun allerdings einigermaßen trennscharf bestimmen. Er tranchierte in seinem wunderbaren Vortrag ausgewählte Songs und konnte so erstmals relativ genau die formale Struktur beschreiben, die Metal von anderen modernen Popmusikstilen unterscheidet, sogar vom Hardrock. Neben der „verzerrten Klangfarbe“, „extremen Impulsdichte“, der souveränen Energiebündelung durch das gekonnte „Ensemblespiel“ und die komplexe Handhabung von Breaks hat Elflein ein metrisches Unterscheidungsmerkmal entdeckt: Heavy Metal shufflet nicht!

Dem als Moderator verpflichteten Musikwissenschaftler Christoph Metzger war das alles noch viel zu wenig. „Im Grunde“, meinte er ganz richtig in einer der vielen Kaffeepausen, in denen die steilsten Thesen ausprobiert wurden, „müsste es Begriffe geben, die mir genau erklären können, warum mir ein Heavy-Metal-Album besser gefällt als eine Mozart-Sinfonie.“ Hell yeah! Und so dachte das Veranstalter-Team Nohr/Schwaab in seinem Schlusswort denn auch auch schon laut über „Metal Matters II“ nach. Der Wahnsinn geht weiter …

 

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