Joachim Witt gehört zu den interessantesten Gesprächspartnern, die man hierzulande als Journalist begrüßen darf: reflektiert, pointiert, unkonventionell. Ein derart streitbarer Geist setzt selten auf Nummer sicher – dementsprechend kurvig verlief seine Karriere, die vor weit über 40 Jahren startete und kreative wie kommerzielle Höhen und Tiefen durchlebte. RÜBEZAHL ist ein Album, das mit den stilistisch ziemlich schmalen Vorgaben der Neuen Deutschen Härte eine Menge anstellt. Das liegt vor allem an den Texten des 69-Jährigen, die weit über das gängige „Zwo, drei, vier – ich such’ das Tier in dir!“ hinausgehen und statt des direkten Schlags (den man sonst in der Szene ausübt) viele lyrische Wendungen in Kauf nimmt und mit einer Vielzahl von Stimmungen sowie Bildern arbeitet.
Diese setzt Witt dann auch emotional in Szene, sodass RÜBEZAHL ein atmosphärisches, dichtes Gebilde ergibt, welches mitunter gar epische Züge trägt. An manchen Stellen meint es der gebürtige Hamburger allerdings etwas zu gut und führt das Album in fast schon märchenhafte Erzählebenen. Nichtsdestotrotz sollten sich alle Musiker, die deutschsprachig texten, einmal intensiv mit Joachim Witt befassen. Bezüglich der Ausdrucksstärke in Ton und Wort ist der Mann auch 2018 noch beispielhaft.