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Saitenhieb: Ist Crowdfunding wirklich Bettelei?

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Liebe Rocker,

BETTLER! FANVERARSCHUNG! ABZOCKE! „Erstmal den Vorschuss ausgeben und dann rumjammern!“, „Baut ihr mir auch ein Haus?“. Die Aufregung um die – zugebenermaßen mit 750.000€ insgesamt sportlich angesetzte – Kampagne von Wintersun-Mastermind Jari Mäenpää ist groß. So groß, dass es im Netz von kollektiven Hirnaussetzern nur so wimmelt. Doch abgesehen von Unprofessionalitäten jeglicher Coleur ist ein Vorwurf besonders laut: Warum bettelt der gestandene Musiker seine Fans an, wenn es doch „nur“ um ein neues Album geht?

Dabei gilt zunächst die Frage: Ist das denn wirklich Bettelei? Oder anders gefragt: Bekommen die Fans wirklich nichts, außer einem wohligwarmen Charity-Gefühl und der vagen Hoffnung, in 5, 10 oder 100 Jahren vielleicht endlich das perfekt nach den Maßstäben des Perfektionisten Mäenpää produzierte TIME II zu bekommen? Die Antwort hier ist mehr als eindeutig: Nein! Für 50€ bekommen die spendenwilligen Wintersun-Fans sogar ein recht ansehnliches Paket – immerhin inklusive der neuen Scheibe THE FOREST SEASONS, Remaster der ersten beiden Alben WINTERSUN und TIME I, sowie allerlei musikalisches Live- und Akustik-Klimbim sowie Remix-fähigen Einzelspuren und Instrumental-Versionen.

Sicher, das ist alles „nur“ digital, aber für 50€ sicher nicht der schlechteste, jemals bei einer Schwarmfinanzierung aufgerufene Deal. Denn: Selbst wenn das Studio niemals gebaut werden würde, hat man doch schon einiges an musikalischem Produkt in der Hand. Ist das wirklich Abzocke im klassischen Sinne? Ich denke nicht!

Vorschuss verprasst, Fans angebettelt?

Es ist zudem kein Geheimnis, dass dem musikalischen Großvisionär Mäenpää oftmals etwas die zeitliche Perspektive abhanden kommt. TIME I wurde viel zu oft verschoben und der dummerweise öffentlich geführte Streit mit seinem Label Nuclear Blast hat sicher nicht geholfen, das Ansehen des Musikers zu stärken. Zudem ist Wintersun so eine Sache: Für viele sind die breiten, Orchester-überladenen Songs einfach zu viel Plastik und zu wenig Metal. Allerdings greifen die meisten Angriffe im Netz daneben. Jeder der heutzutage einen Blick auf die Plattenverkäufe wirft, der weiß, dass es nicht mehr leicht ist von Musik zu leben, geschweige denn ein Projekt in den Maßen eines eigenen, von Grund auf neugebauten Studios mit Plattenverkäufen zu finanzieren. Zumindest dann nicht, wenn man nur gefühlt alle 10 Jahre ein Album veröffentlicht und in eher moderatem Rahmen tourt.

Da ist egal, welche der großen Plattenfirmen man im Rücken hat: Die heutigen Rahmenbedingungen der Musikindustrie geben einfach keinen vergoldeten Ferrari mehr her. Also wird für ein solches, möglicherweise etwas überambitioniertes Projekt eben das letzte Pfund mobilisiert, mit dem ein halbwegs erfolgreicher Musiker wuchern kann: die eigenen Fans. Dabei sei zudem eingeworfen: Niemand, wirklich niemand, muss hier auch nur einen Cent investieren. Wer kein Interesse an kommenden Wintersun-Releases hat oder die Forderung des Wintersun-Masterminds für etwas überzogen hält, der braucht nur ganz einfach keine 50€ in die Hand zu nehmen und schon ist das Problem gelöst.

Es erscheint zudem völlig irre, welche zum Teil brutalen und herabwürdigenden Verbalattacken auf einen Mann gefahren werden, der von Anfang an offen und ehrlich kommuniziert, wofür das Geld genutzt werden soll. Selbst die hohen abzuführenden Steuern und Gebühren, die sinnvollerweise schon von der Band auf den Gesamtbetrag aufgeschlagen wurden, werden auf der öffentlich einsehbaren Rechnung klar und deutlich ausgewiesen. Soviel Ehrlichkeit ist nicht nur löblich, sondern leider auch selten. Ja, der Gesamtbetrag ist hoch. Aber niemand kann behaupten, dass hätte einem vorher keiner gesagt. Und nochmal: Die Fans stehen bei Überweisung der 50€ nicht mit leeren Händen da!

Ein Studio, nur für ein Wintersun-Album?

Natürlich kann und darf das Projekt insgesamt kritisiert werden. Man fragt sich, ob für TIME II wirklich ein neues Studio GEBAUT werden muss, oder ob hier nicht auch ein wenig mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Less talk, more music, könnte man zudem fordern, immerhin sind Wintersun eben nicht für ihren hohen Output bekannt. Andererseits versucht sich hier ein Künstler seine kreative Vision mit allen Mitteln zu erfüllen. Und wenn die Fans diesen Weg unterstützen möchten – warum eigentlich nicht?

Euer Eike!

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