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Slipknot-Interview: Neues aus der Anstalt

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Was spricht dafür, ausgerechnet jetzt die erste Slipknot-Best Of zu veröffentlichen?

Corey: Das macht in vielerlei Hinsicht Sinn. Primär feiern wir damit die erste Dekade, die ich als „Die Paul-Jahre“ bezeichnen würde und in der wir verdammt viel erreicht haben. ANTENNAS TO HELL ist die perfekte Gelegenheit, sich an Paul Grays Schaffen zu erinnern.

Shawn: Ehrlich gesagt hasse ich Best Of-Alben. Meist wollen die Plattenfirmen damit nur schnelles Geld machen. Außerdem erscheint eine derartige Zusammenstellung oft dann, wenn sich die betreffende Band in Schwierigkeiten befindet, kurz vor der Auflösung ist oder ein Labelwechsel bevorsteht. All das ist bei Slipknot nicht der Fall. Deswegen haben wir Wert darauf gelegt, etwas ganz Besonderes für unsere Fans herauszubringen: ANTENNAS TO HELL ist sowohl bezüglich des Umfangs als auch der Aufmachung alles andere als eine „normale“ Greatest Hits-Scheibe. Die Fans können die Pause bis zum nächsten Album damit wunderbar überbrücken.

Joey: Das ist genau der Grund für diese Veröffentlichung. Ich bin ebenfalls kein großer Fan von Best Of-Alben. Aber dieses Package ist wirklich gelungen und gibt uns etwas Luft zum Durchatmen.

Best Of-Alben sind dennoch ein guter Zeitpunkt, um einmal innezuhalten und zurückzublicken. Welche Gedanken kommen euch, wenn ihr an die bisherige Zeit in dieser Band denkt?

Shawn: Ich denke nicht an Vergangenes, sondern lebe nur im Moment. Sobald ich etwas im Leben erreicht habe, hake ich es ab. Auch die Zukunft interessiert mich nicht. Wer weiß schon, ob ich nicht in einer Stunde von einem Auto gerammt werde…?

Joey: In mir kommen in Verbindung mit Slipknot nur positive Gedanken hoch.  

Corey: Es ist verdammt cool, unsere Entwicklung zu hören. Selbst einige unserer größten Vorbilder begannen, nach zwei, drei Alben zu stagnieren. Das ist uns glücklicherweise nicht passiert, wir konnten uns immer wieder neu erfinden. Die ersten beiden Alben, SLIPKNOT und IOWA, waren einfach großartig, auf VOL. 3: THE SUBLIMINAL VERSES wurde uns erstmals bewusst, zu was wir musikalisch in der Lage sind. ALL HOPE IS GONE vereinte all das schließlich.

Ist das der Grund, warum ihr euch dafür entschieden habt, die Songs chronologisch anzuordnen?

Corey: Genau, das machte für meine Begriffe absolut Sinn. Es zeigt, was wir im Laufe der Jahre musikalisch erreicht haben und wie sich unser Selbstverständnis entwickelte. Die grundsätzliche Frage lautete: Was ist alles möglich bei Slipknot? Vielen Musikern bietet sich heutzutage nicht mehr die Möglichkeit, frei zu denken und sich zu entwickeln. Stattdessen setzen sie auf Nummer sicher. Das gab es bei uns nie. Wir wollten mit unseren Liedern immer Grenzen einreißen.

Joey: Bei der Reihenfolge war mir wichtig, dass die Dynamik unserer Songs rüberkommt. Wenn ich nicht Drummer dieser Band wäre, würde ich mir diese Best Of auf jeden Fall zulegen. ANTENNAS TO HELL ist die ultimative Slipknot-Playlist.

Wieso habt ihr euch im Fall von ‘The Heretic Anthem’ für die Live-Aufnahme anstelle der Studioversion entschieden?

Corey: Das Lied ist wie gemacht für Konzerte. Wenn das Intro beginnt, flippen die Leute aus. Als es erschien, hätten wir nicht mit einer derartigen Reichweite gerechnet. Die Zeile „If you’re 555, then I’m 666“ ist mittlerweile fast auf dem gesamten Globus bekannt.

Woher stammt die Grundidee für den Titel ANTENNAS TO HELL?

Joey: Den Titel schleppe ich schon seit Jahren mit mir herum. In meinem Notebook habe ich Hunderte solcher Ideen abgespeichert.

Corey: Das ist ein Wortspiel. Es gibt eine Sage, nach der die Musik aus der Hölle durch den Teufel selbst in unsere Welt übertragen wird. Wir drehen den Spieß um und verändern so den Lauf der Dinge. Durch uns wird Heavy Metal in der Öffentlichkeit ganz anders wahrgenommen als zuvor.

Ihr spielt öfters mit heidnischen Symbolen – welche Rolle hat Religion bisher in eurem Leben gespielt?

Corey: Ich war nie eine religiöse Person. Der Teufel repräsentiert in meinen Augen die negative Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen. Dagegen muss man sich auflehnen und so das Böse bekämpfen.

Shawn: Slipknots Musik ist mein Gott, und unsere Bühne meine Kirche. Eine größere Spiritualität als mit den Jungs und unseren Fans, den Maggots, habe ich noch nie im Leben gespürt. Wir sind ihnen für die Unterstützung in der harten Zeit nach Pauls Tod für immer dankbar.

Joey: Slipknot sind weder Christen noch Satanisten, wir verabscheuen jede Form organisierter Religion. Ich sehe uns als Atheisten. Der Begriff „Teufel“ repräsentiert nur das Chaos, das wir als Band in die Welt bringen.

Auf der Best Of befinden sich auch zehn Kurzfilme, welche die einzelnen Musiker sowie die gesamte Band porträtieren. War der Zusammenschnitt von Szenen aus Paul Grays Leben der emotionalste Teil in der Produktion von ANTENNAS TO HELL?

Corey: Ich war sehr bewegt, als ich den Film gesehen habe. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke. Aber es ist etwas anderes, ihn in bewegten Bildern zu sehen. Mir kamen die Tränen…

Shawn: Paul ist nicht weg. Er ist an unserer Seite, die Band besteht weiter aus neun Musikern. Ich habe Slipknot mit ihm zusammen gegründet, er war und ist wie ein Bruder für mich. Ich besuche sein Grab sehr oft, mindestens alle drei Tage, um ihm nahe zu sein. Ich fühle mich an diesem Ort sehr wohl.

Joey: Mir hat es das Herz gebrochen, als ich den Film sah. Wir wären ohne Paul niemals so weit gekommen.

Ihr steckt in den Vorbereitungen zum neuen Album, das ab Anfang 2013 aufgenommen werden soll. Wird das kommende Werk der letzte Teil eurer Trauerbewältigung?

Corey: Das kann man so sagen. Ich habe schon ein paar Demos gehört und bin sehr gespannt, womit die Jungs noch ankommen werden. Nachdem die Aufnahmen zum neuen Stone Sour-Album abgeschlossen sind, habe ich den Kopf wieder komplett frei für Slipknot. Es existieren auch schon einige Textideen.

Shawn: Aber das ist alles noch im Anfangsstadium. Joey hat 30 Songs geschrieben, und ich habe bereits eine Vorstellung von der virtuellen Ausrichtung. Aber wer weiß, was von all dem letztlich auch verwirklicht wird.

Joey: Es wird der Abschluss der Trauerbewältigung und im gleichen Zug das emotionalste Album unserer Karriere. Wir werden zwar alle älter, aber das neue Material hört sich erstaunlicherweise wieder viel härter an. In meinem Herzen weiß ich: Wir arbeiten am bislang besten Slipknot-Album.

Existieren noch Songideen von Paul, die es auf das nächste Album schaffen könnten?

Shawn: Davon bin ich überzeugt.

Joey: Es gibt schon noch etwas, aber das könnte eventuell alte Wunden aufreißen. Vielleicht wäre es besser, das Album ganz frisch zu halten.

Corey: Es geht weniger um die Frage, ob wir etwas finden können, sondern darum, ob wir das überhaupt wollen. Ich würde es bevorzugen, wenn wir erst mal ohne irgendwelche Vorgaben loslegen und den Ball selbst ins Rollen bringen.

Wohin wird denn musikalisch die Reise nach ALL HOPE IS GONE gehen?

Corey: Es ist noch etwas zu früh, um schon eine sichere Aussage treffen zu können. Aber ich habe meist eine ganz gute Antenne dafür, wohin Slipknot sich entwickeln werden. Ich denke, das nächste Album wird sich an IOWA orientieren. Wir haben eine Unmenge an Gefühlen, die wir auf diese Scheibe packen müssen. Es wird düster, und es wird brutal.

Joey: Bislang klingt es tatsächlich wie IOWA, Teil zwei. Das ist musikalisch auch mein Favorit in unserer Diskografie. Corey wird auf dem nächsten Album absolut durchdrehen, das fühle ich. Er wird sein ultimatives Statement als Sänger abgeben. Oder besser gesagt: Das werden wir als Gruppe insgesamt tun. Denn das sind wir Paul schuldig.

Slipknot gehören zu den bedeutendsten Acts der Gegenwart, zudem betont ihr immer wieder das immense Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Band. Könnt ihr euch vorstellen, einmal so wie Guns N’ Roses zu enden, deren Aufnahme in die Rock’n’Roll Hall Of Fame mit endlosen Diskussionen verbunden war?

Corey: Niemals! So verrückt diese Band manchmal ist und so unterschiedlich die Charaktere auch sind: Am Ende des Tages sind wir immer füreinander da. Unsere Musik eint uns. Und die schreckliche Tragödie hat die zwischenmenschlichen Bande bei Slipknot sogar noch gestärkt. Das hätte Paul bestimmt gefreut.

Shawn: Wir sind eine absolute Einheit. Du kannst dir sicher sein, dass bei einer derartigen Veranstaltung alle vor Ort sein würden. Ich bin seit ihrem Debüt absoluter Guns N’ Roses-Fan, aber habe keine Ahnung, auf welchem Planeten sich Axl Rose gerade befindet. Wenn er im Alter mal kränkelnd im Bett liegt, wird er es bereuen, dass er sich mit seinen alten Freunden so verkracht hat. Dass er bei dieser Hall Of Fame-Show nicht auftauchte, war ziemlich armselig.

Joey: So etwas wäre bei uns undenkbar. Wir sind neun Leute, durch einen Haufen Scheiße gegangen und immer noch da. Wo gibt es heutzutage etwas Vergleichbares? Ich habe mir Guns N’ Roses bei der Show angesehen – und mir hat das Herz geblutet. Es sah so aus, als ob die Jungs überhaupt nicht miteinander auftreten wollten. Das war echt beschissen. Wieso lässt Axl Rose die Fans hängen, welche überhaupt erst ermöglicht haben, dass Guns N’ Roses diese Ehre zuteil wird? So etwas würden wir unseren Anhängern nie antun.


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