Der erste kinoreife First-Person-Actionfilm ist da! Endlich? Szenen aus dem Blickwinkel des Protagonisten gab es schon in ‘Maniac’, ‘The Amazing Spider-Man’ und der Videospielverfilung ‘Doom’. Jetzt in ‘Hardcore’ (auch als ‘Hardcore Henry’ bekannt) 90 Minuten am Stück – kann das funktionieren? Eigentlich nur auf zwei Arten: durch absolute Identifikation mit dem Protagonisten – oder durch völlig überzogenen ADHS-Wahnsinn, der alle Sinne betäubt. Ratet, für welchen Weg sich die ‘Hardcore’-Macher entschieden haben!
Gewalt ist die einzige Lösung
Irgendwo zwischen ‘Crank’, ‘Robocop’ und ‘The Raid’ ist ‘Hardcore’ ein 90-minütiger Adrenalinrausch. Übertriebene Action und Gewalt tragen die Handlungsbruchstücke der amerikanisch-russischen Produktion voran; Regisseur Ilya Naishuller ist sich der Überzogenheit bewusst und zieht daraus viel schwarzen Humor. Sofern man zerschmetterte, brennende und explodierende Körper lustig findet. Gewiss, über eine derartige Ästhetisierung von Gewalt wird der eine oder anderer diskutieren mögen: Vom stilvollen, aber expliziten Intro bis zu von einer Granate durch die Luft gefetzten Körperteilen geht ‘Hardcore’ keine Kompromisse ein.
Obendrein pfeift ‘Hardcore’ auf eine ernstzunehmende Handlung, liefert stattdessen eine Aneinanderreihung wahnwitziger Szenen. Ein Sturz aus dem Helikopter, fetzige Railgun-Action vom Motorrad, ein Panzer pflügt durch den Wald… alles aus First-Person-Perspektive zu erleben, ist nichts für schwindelanfällige Zuschauer, sorgt aber für spektakuläre Bilder!
https://www.youtube.com/watch?v=eibOWIFWZ2o
Überhaupt wurde die Ego-Perspektive videospielmäßig glaubwürdig umgesetzt. Blickwinkel, Kopf- und Handbewegungen wirken stimmig – auch ohne Gesicht und Worte erhält Henry Persönlichkeit und interagiert (im Rahmen der Filmrealität) glaubwürdig mit seiner Umwelt. Der große Nachteil zu z.B. ‘Crank’, nicht auf einen Protagonisten bauen zu können, wird so geschickt abgefedert. Toll anzusehen: Sharlto Copley, der in verschiedenen Rollen (Junky, Soldat, Punkrocker…) brilliert und Laune macht.
Hier geht ‘Hardcore’ die Puste aus
Und doch: Sowohl Henry als auch die anderen Charaktere bleiben extrem flach. Nebencharaktere sterben (vermeintlich) am Fließband, sind selten mehr als Kanonenfutter. Warum Henry schon wieder von hier nach da rennt, beschossen wird und massakriert, ist sehr schnell völlig egal. Das ist natürlich der atemlosen Action geschuldet, aber auch verschenktes Potential: In Zeiten, in denen Videospiele monumentale Geschichten mit glaubwürdigen Charakteren erzählen, wirft ‘Hardcore’ die Entwicklung 15 Jahre zurück.
Fazit zu ‘Hardcore’
PC Principal aus ‘South Park’ dürfte bald vor dem Kino stehen und demonstrieren: ‘Hardcore’ ist übertrieben gewalttätig und sexistisch – das muss man mögen oder als das nehmen, was es ist: vorsätzlich hirnlose Action, vornehmlich für Gamer, für Jungs, für biergeschwängerte Freitagabende, während derer die Xbox Updates lädt. Ständig will man selbst zum Gamepad greifen, um explosive Szenen mitzuspielen. Das trifft den Zeitgeist: „Let’s Play“-Videos sind in! Anders herum aber: Als tatsächliches Spiel wäre Hardcore zu einfallslos, um heutzutage zu überzeugen. Als Action-Feuerwerk, dass sich selbst maßlos feiert und dabei nicht hinterfragt werden will, funktioniert der Film aber wunderbar.
‘Hardcore’ von Ilya Naishuller mit Sharlto Copley, Haley Bennett, Danila Kozlovsky und Tim Roth startet am 14.04.2016 in Kino durch.