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Sex, Mord, Zensur: Lou Reed und Metallica öffnen Pandoras Büchse

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Mit großer Spannung erwartet die Rock und Metal-Welt dieser Tage das kommende Kolaborations-Kunststück von Lou Reed und Metallica. LULU nennt sich die Album-Frucht dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit zwischen dem Rock-Poeten Reed und den Metal-Meistern Metallica. Die Grundlage für das Werk bilden dabei Songs, die Reed ursprünglich für eine Neuinszenierung des Theaterstücks ‘Lulu’ durch den amerikanischen Regisseur Robert Wilson (‘The Black Rider’, ‘Alice’, ‘POEtry’) geschrieben hatte.  Eine Vorstellung des Stücks am Berliner Ensemble gibt einen ersten Eindruck von dem Stoff.

‘Lulu’ ist die ab 1913 zusammengeführte Bühnenfassung der beiden Tragödien ‘Erdgeist’ und ‘Die Büchse der Pandora’ des deutschen Dramatikers Frank Wedekind. Thematisch kreist das Stück um die Protagonistin Lulu, ein Prototyp der Femme Fatale, der ihre zahlreichen Ehemänner und Liebhaber hemmungslos bis in ihren (Frei)tod verfallen sind.

So treibt es Lulu im Verlauf des Stückes von Mäzen zu Mäzen, Ehemann zu Ehemann und von Berlin über Paris bis nach London, wo sie als Prostituierte in veramten Verhältnissen schließlich als Opfer von Jack The Ripper elendig verendet. Zu seiner damaligen Zeit sorgte ‘Lulu’ beziehungsweise ‘Die Büchse der Pandora’ für Aufsehen bei der Zensur und einen Theaterskandal, war doch der freizügige und offene Umgang mit Themen wie Emanzipation, sexuellen Trieben bis hin zum lesbischen Subtext in Form von Lulus Gespielin Martha Gräfin von Geschwitz, ein Affront gegenüber der wilhelminischen Weltordnung und Moralvorstellungen.

Wilson inszeniert den Stoff heute in bekannt manierierter Masche. Im bleichgeschminkten Stummfilm-Make Up überagieren die Schauspieler auf der Bühne, während Bauten und Lichtdramaturgie zuweilen expressionistische Züge tragen. Dazu kommen Lou Reeds Songs als Gesangseinlagen. Während das Orchester des Berliner Ensembles die Feedback-unterfütterte schöne Schrammeligkeit des typischen Reed-Sounds noch einigermaßen adäquat hinbekommt, stehen und fallen die Songs mit den unterschiedlichen stimmlichen Fähigkeiten der Darsteller. Insgesamt 17 Lieder umfasst der Song-Katalog von ‘Lulu’, darunter sieben alte Reed-Nummern von Alben wie CONEY ISLAND BABY (1975), ROCK AND ROLL HEART (1976) und THE BELLS (1979), sowie Velvet Undergrounds ‘Sunday Morning’ (1967). Die übrigen zehn Stücke hingegen sind exakt das Neumaterial, dass sich Reed und Metallica für ihr gemeinsames Album vorgeknöpft haben.

Ein Blick auf die Spielzeiten der LULU-Songs zeigt deutlich, dass hier besser von generalüberholter Neuinterpretation gesprochen werden kann. Sind die Songs im Theaterstück eher fragmentarische Zwischenspieler, so verspricht Reeds/Metallicas LULU Epik. Im musikalischen Grundkorsett bereits in der Bühnenfassung herausragend, sind hierbei das flotte ‘Cheat On Me’, das pressierende und, ja, pumpende ‘Pumping Blood’ sowie das herrlich schunkelnde ‘Brandenburg Gate’ das an ‘Halloween Parade’ von Reeds 1989er Meisterwerk NEW YORK erinnert und mit der wunderbaren Textzeile „I was thinking Peter Lorre when things got pretty gory as I crossed to the Brandenburg gate“ aufwartet.

Nach diversen Filmadaptionen durch unter anderem G.W. Pabst in seinem Stummfilmklassiker ‘Die Büchse der Pandora’ aus dem Jahre 1929, darf man von der musikalischen Adaption und Lesart des Stoffes durch Reed und Metallica also durchaus ein spannendes wie tiefschürfendes, kulturübergreifendes Experiment weit jenseits des einstigen Thrash-Tellerrands erwarten. Einer muss diese Büchse ja aufmachen.

Lou Reed & Metallica
LULU
VÖ: 31.10.2011
Produced by Lou Reed, Metallica, Hal Willner, & Greg Fidelman
Mixed by Greg Fidelman

Tracklist:

Brandenburg Gate (4:19)
The View (5:17)
Pumping Blood (7:24)
Mistress Dread (6:52)
Iced Honey (4:36)
Cheat On Me (11:26)
Frustration (8:33)
Little Dog (8:01)
Dragon (11:08)
Junior Dad (19:28)

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Frank Thießies schreibt freiberuflich unter anderem für METAL HAMMER. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.

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