Mit einem Band-Namen wie dem ihren kann man es In This Moment nicht verübeln, dass sie auf ihrem sechsten Album stärker als sonst unterschiedliche, aber in erster Linie aktuelle musikalische Zeitgeistströmungen erfolgreich absorbieren. Dem Metalcore-Mumpitz schon lange entsagt, ist RITUAL zwar nicht entschieden okkult, doch geben sich Sängerin Maria Brink und ihre Instrumentalisten-Staffage auf einigen Songs (‘Oh Lord’, ‘River Of Fire’) traditionsorientierter und damit bluesiger als je zuvor. Allerdings nicht etwa im Retrogewand, sondern einer kühl-verzerrten Industrial-Variation, wie sie Marilyn Manson zuletzt auf THE PALE EMPEROR zu perfektionieren wusste.
An anderer Stelle verschiebt sich das Augenmerk auf die immer noch trendigen Achtziger. Sei es ‘Black Wedding’, ein Duett mit Judas Priests Rob Halford (wohl der Einzige, dem man in diesem Kontext keine Lüsternheitsmotive unterstellen kann), belehnt im invertierten Refrain den berühmten Billy Idol-Titel ungeniert, aber hochachtungsvoll. Das mit eigener Note interpretierte Cover von ‘In The Air Tonight’ mag wiederum der momentanen Phil Collins-Rehabilitierung geschuldet sein, ist aber auch gelungener, als man zunächst denkt.
Und wer beim Chorus von ‘No Me Importa (I Don’t Care)’ nicht an Transvision Vamp denkt, hat die Achtziger verpennt. Weniger übersexualisiert als zuletzt wissen ein paar pop-kindige Latex-Lady Gaga-Liebäugeleien (‘Joan Of Arc’, ‘Half God Half Devil’) und ein pianotröpfelnder Trent Reznor-Moment (‘Lay Your Gun Down’) ebenso zu überzeugen. RITUAL geht mit seinen unterschiedlichen Inspirationsquellen offen um – und ist dabei doch die schlüssigste, reifste und charakteristischste Platte der Band bislang.
