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Soundgarden: Freispiel mit Stil

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[Bei diesem Artikel handelt es sich aus einem Fundstück aus der Dezember-Ausgabe 2012 des METAL HAMMER]

Kaum haben Soundgarden wieder zusammengefunden, sind sie auch schon wieder in alle Winde zerstreut. Zumindest am heutigen Interview-Tag lässt sich der planmäßige Beisitzer und Bassist Ben Shepherd beim besten Willen aller Beteiligten nicht auffinden. „Er raucht so gern, vielleicht ist er draußen vor der Tür“, wird von Künstlerbetreuerseite gemutmaßt. Nach kurzer Wartezeit gebührt dann aber doch Chris Cornell allein die Ehre eines METAL HAMMER-Gesprächs unter vier Augen – soweit es die leicht getönte Ray Ban-Brille erlaubt.

Chris Cornell (Soundgarden) unerwartet mit 52 Jahren gestorben

Mit Musketierbart, die lange, lockige und leicht blondsträhnige, braune Mähne zum Samurai-Dutt gebunden, lässt sich der Soundgarden-Sänger entspannt auf der Hotel-Couch nieder und erinnert wahlweise an einen schlaksigen Johnny Depp oder ein Slacker-Model aus dem aktuellen H&M-Herbstmodenkatalog: Locker geschnürte Worker Boots, dunkle Jeans und weißes T-Shirt, darüber ein grau-wollener Zwitter aus Pullover und Cardigan. Flanell war gestern. Und doch erkennt man Cornell und Soundgarden auch auf Platte sofort wieder, als wären sie nie weg gewesen. Psychedelischer und ungezwungener, noch mehr Zeppelin als Sabbath atmend, aber unverkennbar Soundgarden.

‚Been Away Too Long‘, so der Opener des neuen Albums KING ANIMAL, ist dabei natürlich mehr als nur ein profanes Comeback-Statement, das mancher dahinter vermuten könnte. „Es geht textlich um meine Rückkehr nach Seattle, den Ort, wo ich acht Jahre lang nicht war, bevor Soundgarden wieder zusammenkamen. Es war einerseits toll, in diesem alten Umfeld wieder mit der Band zu proben, aber andererseits war es auch sehr seltsam. Ich bin dort geboren, aufgewachsen und mit 36 Jahren abgehauen“, erklärt Cornell die doppeldeutige Entfremdungsebene. „Es war eine surreale Erfahrung, wieder in meiner alten Heimatstadt zu sein und alles verändert vorzufinden. Ich hatte dort einen Haufen zerstörerische Beziehungen zurückgelassen. Leute, mit denen ich gesoffen und Drogen genommen hatte, sowie eine zerbrochene Ehe. Bezogen auf die Band war es für mich ein Nachhausekommen, das sich gut anfühlte. Aber dazu kamen diese dunkle Seite von Seattle und ein paar unangenehme Erinnerungen.“

„I’m looking California/ and feeling Minnesota“

(‚Outshined‘, Soundgarden, BADMOTORFINGER (1991)

Während der Exil-Kalifornier Cornell seine unwirkliche Wahlheimat im Song ‚Blood On The Valley‘ nicht minder kritisch beäugt, ging es in Seattle musikalisch um alte, offene Rechnungen. So gehen manche Song-Ideen von KING ANIMAL auf Unfertiges und Unvollendetes zurück. Jedoch nicht nur:

„Die andere spannende und treibende Frage für uns war, einen neuen Ansatz zu finden, Soundgarden-Songs für das Hier und Jetzt zu schreiben. Wir wollten zur Essenz der Band vorstoßen. Die Herausforderung ist immer, einen Schritt weiter zu gehen, und das haben wir mit jedem Album vollzogen. Auf KING ANIMAL gibt es Songs, die sich ganz ungezwungen und natürlich entwickelt haben. Etwas, das wir vorher jahrelang versucht haben, aber vielleicht so nie hinbekommen haben.“ Vieles auf KING ANIMAL klingt tatsächlich nach naturgegebener, ungebändigter Freiform. Egal, ob die stilistische Artenvielfalt sich unter den Fittichen des majestätischen Muttertiers Soundgarden nun evolutionär in Richtung bärbeißiger Riff-Reißer oder zerbrechlicheren Balladenspezies entwickelt: Soundgarden brummen und ziepen wieder, lassen ihren Songs Auslauf und Lautmaler Cornell seine kryptisch-assoziativen Naturbeobachtungen vollführen. „Meine Texte und Gesangsmelodien sind seit jeher unmittelbar von der Musik inspiriert.

Ich arbeite gern atmosphärisch. Bei Songs wie ‚Taree‘ oder ‚Bones Of Birds‘ sind die Lyrics eher fieberhaft flirrend, während bei aggressiveren Songs auch die Wörter entsprechend harscher werden“, so Cornell selbstreflexiv. „Viele Gesangslinien auf der Platte sind tatsächlich die ersten eingesungenen Takes. Das war für mich eine Offenbarung, so habe ich bislang noch nie gearbeitet. Bands jagen immer dieser Ursprünglichkeit des Demos nach – die finale Version hat meist nicht den Verve der ursprünglichen Idee. Ich bin froh, dass wir das diesmal so auf Band bekommen haben.“ So befreit und losgelöst von strukturellen Vorgaben Soundgardens Comeback-Album ist, zeigt sich der Sänger auch gelassen, was die Grunge- und Seattle-Schublade von gestern angeht.

Gnade der Grunge-Geburt

„Ich empfinde es heute nicht mehr als Kreuz, sondern bin sogar stolz darauf, dass wir eine Band waren, die alles mit gestartet hat. Genauso bin ich auf die anderen Musiker und Bands stolz, die mit dabei waren und uns inspiriert haben. Auf seltsame Weise hat sich das Ganze im Nachhinein zu einem wichtigen Teil der Rock-Geschichte entwickelt“, so Cornell bedacht.

„Ich bin aber auch froh, dass Soundgarden jetzt für das wahrgenommen werden, was wir sind und nicht mehr als Teil einer Szene oder im Kontext einer bestimmten Stadt beurteilt werden.“ Nein, das Erbe des Grunge ist viel mehr als das. „Zwei Jahre, nachdem wir uns getrennt hatten, bin ich durch Seattle gefahren und habe im Autoradio ‚Pretty Noose‘ von DOWN ON THE UPSIDE (1996) gehört. Davor kam ein Tom Petty-Song und danach irgendein anderer Rock-Klassiker. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Song und das dazugehörige Album mit dem nötigen Abstand betrachtet wirklich gelungen sind.

Und: Unsere Musik ist zum modernen Classic Rock transformiert. Wir sind zum Glück nie in eine Modefalle wie so viele Rockbands aus den Achtzigern getappt, sondern im zeitlosen Kanon angekommen. Ich glaube, das hat viel mit Sounds und Produktionsmethoden zu tun“, erklärt Cornell einen nicht unwesentlichen Punkt in der musikalischen Wahrnehmung und Wertschätzung. „Wir haben uns 1984 gegründet und miterlebt, wie auf einmal alle anfingen, ihre Röhren-Mikros auf den Müll zu werfen – genau die Teile, welche heute Tausende von Dollars wert sind. Ebenso wurden die ganzen alten Amps und Studiogerätschaften entsorgt und man kaufte lieber die neueste Technik: Drumcomputer, erste digitale Aufnahmekonsolen und all das, was die Musik der Achtziger aus heutiger Sicht so hörbar genau in ihrer Zeit verortet. Soundgarden haben das nie mitgemacht.“

Die selbst gewählte Auszeit bereut Cornell indes nicht, auch nicht vor dem Hintergrund, man hätte wie Pearl Jam – mit denen man sich mittlerweile gar Drummer Matt Cameron teilt – an einer konstanten Karriere mit innigen Fan-Kult-Strukturen basteln können. „Diesen ‚Was wäre, wenn‘-Gedanken gibt es immer. Aber auf der anderen Seite waren alle meine Soloalben und die musikalischen Erfahrungen, die ich nach Soundgarden gemacht habe, extrem wichtig für mich. Ich bin froh, dass ich das alles getan habe.

Hinzu kommt: Wir haben mit DOWN ON THE UPSIDE auf unserem damaligen Zenit aufgehört und kommen jetzt mit einer Platte zurück, die vielleicht sogar mein Lieblings-Band-Album werden könnte. Wir haben diese schlimme mittlere Periode, in der wir ziellos umhertreiben und uns dann erst wieder finden müssen, erfolgreich umschifft. So, wie die Dinge gelaufen sind, war es gut für Soundgarden. Jetzt sind wir wieder da und haben vor, zu bleiben.“ Auch Basser Ben hat sich – zwar erst nach Interview-Ende – zur Freude aller wieder eingefunden und grüßt beim Abschied im Vorbeigehen. Vermutlich war er nur eben Zigaretten holen..

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