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Szenekenner diskutieren über die Kulturflatrate

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„My Typewriter“ von Tim Renner
– Das Gespenst Kulturflatrate –

Ein Gespenst geht um und lässt die Sachverwalter des Rock’n’Roll erzittern. Es heißt Kulturflatrate. Viele wissen nicht so genau, was das ist, die meisten nicht, woher das kommt, aber scheinbar fürchten sie die in den Chefetagen der großen Plattenfirmen. Bei dem Phantom Kulturflatrate handelt es sich jedoch lediglich um die nahe liegende Idee, reales Tun zu legalem Tun werden zu lassen. Ähnlich wie die Privatkopie in Form von gebrannten CDs oder kopierten Kassetten schon seit den 60er Jahren verbrieftes Recht eines jeden Bundesbürgers ist, soll im Rahmen der Kulturflatrate auch Filesharing vom Gesetzgeber legalisiert werden.

Eine pauschale Gebühr für die Rechte der Urheber ist bereits heute Bestandteil eines jeden Preises, der für CD-Rohlingen oder Brennern entrichtet wird. Leermedienabgabe nennt sich das und fließen tun die damit generierten Millionen über die GEMA in Richtung Autoren und mittels der GVL an die Produzenten und somit auch zu den Plattenfirmen. Analog dazu würde durch eine Kulturflatrate jeder Internetanschluss mit einer Pauschalabgabe für die genutzten Rechte belastet und die Einnahmen an die Rechteinhaber verteilt.

Die Grünen sind dafür, die Sozialdemokraten wollen das laut Programm zumindest prüfen. Die Mehrheit der Top-Manager der großen Plattenfirmen haben deshalb bestimmt nicht SPD gewählt. Sie setzen auf Kriminalisierung statt Legalisierung. Das Beispiel ist Frankreich: Denis Olivenne, der Ex-Liebhaber von Carla Bruni und Chef der gigantischen Medienhandelskette fnac, hat dort ein Gesetz namens Hadopi entworfen. Präsident Sarkozy hat es für ihn durchgepaukt. Anbieter von Internetanschlüssen müssen seither Filesharer abmahnen und diese nach dem dritten Verstoß gänzlich vom Netz abklemmen. In Zeiten da viele Dienstleistungen nur online buchbar und immer mehr Informationen und Kontakte nur mit Hilfe des Netzes verfügbar sind, erinnert die Maßnahme ein wenig an die Exkommunion. Wer mehrfach den illegalen Download genutzt hat, wird aus der zunehmend digitalen Gesellschaft ausgeschlossen, wie dereinst im Mittelalter der ungehörige Bürger aus der Gemeinschaft der Gläubigen.

Verfassungsrechtlich ist das in Deutschland nicht durchsetzbar. Der Artikel 5 des Grundgesetzt garantiert jedem Bürger freien Zugang zu Informationen. Die schlauen Funktionäre des Bundesverbandes Musikindustrie (BMVI) wissen das. Sie haben deshalb jüngst einen Kanon von 10 Punkten veröffentlicht, den die Musik-Manager runterbeten sollen, wann immer sie mit der Politik in Berührung kommen. Sie beklagen darin (Position 1), dass die Kulturflatrate auch von Bürgern bezahlt werden müsste, die sie vielleicht gar nicht nutzen würden. Sie stört (Position 3) zudem, dass eine solche Gebühr sich nicht sozial differenzieren und somit die Schwachen überproportional belasten würde. Ihnen ist es ein Graus (Position 5), so wörtlich, dass somit Beethovens Neunte und ein Pornofilm im Wert auf eine Stufe gestellt und in der Konsequenz die Kultur verflachen würde.

Ein Scheingefecht einer Branche, die teuer DSDS Eintagsfliegen als Kultur verkauft, Leermedienabgaben mit Freuden nimmt und im Traum nicht daran denkt, Hartz-IV-Empfänger den halben Preis für ihre Produkte zahlen zu lassen. Ein Argument des Verbandes sticht jedoch: Es ist die Sorge vor der Abschaffung der Marktwirtschaft in der Musikkultur. So absurd es klingt, ausgerechnet Rock und Pop brauchen die Marktwirtschaft. Verteilt man die Gebührengelder wie eine Kulturförderung, kann das im Sinne der Erneuerung kaum klappen.

Welche offizielle Stelle hätte in den 70er-Jahren Punk gefördert, der damals als Krach begriffen wurde? Welche Regierungspartei hätte sich in den 80er-Jahren für Techno stark gemacht, den man als monotone Spaßwelle ansah? Auch eine proportionale Aufteilung, gemessen etwa an Aufführungen im Radio etc., trägt nicht zur Wahrheitsfindung bei, sondern würde Nischen verkümmern und Reiche reicher werden lassen.

Das Problem könnten die Mitglieder des Verbandes allerdings selbst lösen: Der beste Weg, die Schwächen einer staatliche Kulturflatrate zu vermeiden, wäre, selbst eine anzubieten. Würde für einen Flatrate-Kunden jeder Song in bester Datenqualität verfügbar sein, sobald er das erste Mal im Rundfunk zu hören ist; würde er jeden von ihm runter geladenen Song behalten können, egal ob das Abo läuft oder nicht, und wäre die Plattform, über die der Download geschieht, auch noch eine, die ihn im unendlichen Musik-Angebot berät, so wäre das besser als jedes illegale Portal oder jeder Torrent-Tracker.

Verlangen könnte man für diesen Mehrwert soviel pro Monat, wie eine CD gefühlt kostet, so das Ergebnis einer bereits zwei Jahre alten, amerikanischen Umfrage, die von Sony in Auftrag gegeben wurde. Stimmt die noch, wäre das Ergebnis bei unterstellten 12,90 Euro im Monat knappe 1,2 Milliarden im Jahr. Das kommt zustande, wenn die 17,8% der Nutzer zuschlagen, die laut GfK Studie Plattenkäufer sind. Fehlen noch 300 Millionen um den aktuellen Jahresumsatz der Branche zu halten. Die macht man mit nostalgischen Säcken wie mir, die sich immer noch die Vinyl oder die CD von Alben kaufen würden, die sie besonders lieben. Statt ein Gespenst zu bekämpfen, geht es also eigentlich darum, ein Geschäft zu beginnen!

„So absurd es klingt, ausgerechnet Rock und Pop brauchen die Marktwirtschaft. Wer hätte denn in den 70er-Jahren Punk gefördert oder in den 80er Jahren Techno?“

Tim Renner ist geschäftsführender Gesellschafter des Berliner Unternehmens Motor Entertainment. Zuvor leitete er Universal Deutschland.

Tim Renner hat uns mit einem neuen Vorschlag beglückt. Waren seiner Meinung nach vor zwei Jahren noch Vinyl und Downloads die Rettung der Branche, ist es jetzt die Kultur- oder Musik-Flatrate. Vorbild soll die so genannte Leermedienabgabe auf Speichermedien und Hardware sein, die bei Autoren, Künstlern und Plattenfirmen angeblich die Kassen klingeln lassen. Leider sieht die Realität anders aus.

So erhielten die Künstler und Labels im Jahr 2008 für rund 370 Millionen CD-Kopien und 26 Milliarden (!) gespeicherte Musikdateien eine Vergütung von rund 30 Millionen Euro. Ein schlechtes Geschäft. Denn wären nur zehn Prozent der CD-Kopien gekauft worden, wären über 300 Millionen Euro geflossen. Es mag sich auch nicht recht erschließen, warum ausgerechnet ein Konzept aus den 60er-Jahren – als Internet und mp3-Player allenfalls in der Fantasie von Science-Fiction-Autoren existierten – die Antwort auf die Fragen der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts liefern soll.

Aber eine passende Rechung liefert der geschasste ehemalige Major-Chef gleich mit: Wenn alle heutigen Plattenkäufer monatlich rund 13 Euro Aufschlag auf ihren Internet-Zugang bezahlen würden, flössen jährlich fast 1,2 Milliarden Euro in die Kassen der Branche. Da schon die Zahl der Plattenkäufer nicht stimmt, sind die dann noch fehlenden 300 Millionen Euro zum heutigen Status gleich auch egal. Wenn, ja wenn. Denn leider lassen sich weder große noch kleine Musikfirmen mit dem kleinen Einmaleins und Bierdeckelrechnungen führen. Vor allem, weil der Konsument ein gar wunderliches Wesen ist, dass sich häufig gar nicht so verhalten will, wie es vermeintliche Experten vorhersagen. Blöd auch.

So kaufen Verbraucher hierzulande seit 2003 Jahr für Jahr rund 150 Millionen der längst totgesagten CD, was Deutschland zur Zeit den stabilsten Musikmarkt der Welt beschert. Gut, dass wir nicht im Jahr 2000 schon auf Renner gehört haben, als er in „Brand Eins“ (7/2000) erklärte: „Ich ho_ e, der Tonträger stirbt bald. An sich bin ich ja Nostalgiker, aber als Geschäftsmann könnte ich gleich morgen darauf verzichten.“

Streaming-Musik-Flatrates gibt es heute schon (Napster, Nokia Comes with Music), und wir werden in den nächsten Jahren neue Flatrate-Modelle sehen, die auf individuelle Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind. Sie werden aber nicht – was sich das der Oskar Lafontaine der Musikbranche eigentlich wünscht – dazu da sein, die illegale Musikbeschaffung zu legalisieren. Sonst würde einmal mehr gelten: Der Ehrliche ist der Dumme.

Stefan Michalk
Geschäftsführer Bundesverband Musikindustrie e.V.

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