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The Ocean: Interview zum zweiten Teil von HELIOCENTRIC

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The Ocean
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Robin, mit der (Kompositions-)Arbeit an HELIOCENTRIC hast du ja bereits 2008 begonnen. War dir damals schon klar, dass du eine zweite Platte machen willst, die inhaltlich mit HELIOCENTRIC verbunden ist – oder hat sich das erst später herauskristallisiert, nachdem die Songs standen und du dich an die Text-Arbeit machen konntest?

Die HELIOCENTRIC-Songs sind allesamt im Sommer 2008 entstanden. Ich wollte bei ihnen nichts mehr hinzufügen, denn alles war fertig und klang gut, so wie es war. Gleichzeitig hatte unser Gitarrist Jonathan Nido aber auch Songs geschrieben, die mir gefielen. Damit stand fest, dass es ein zweites Album geben würde. Über das Format hingegen und auch den inhaltlichen Zusammenhang waren wir uns damals noch nicht im Klaren: Sowohl eine Veröffentlichung als Doppel-CD oder zwei Einzel-Releases standen im Raum. Eine Zeit lang hatten wir auch überlegt, das Ganze stilistisch sehr streng aufzuteilen und in Form von vier Mini-CDs zu veröffentlichen.

Als mir dann jedoch die Idee mit dem HELIOCENTRIC-Konzept kam, war sofort klar, dass die beiden Alben thematisch zusammengehören würden. Zum Einen ist das Thema so breitgefächert, dass man zehn Konzeptalben darüber machen könnte. Zum anderen bot es sich einfach an. Ursprünglich sollte HELIOCENTRIC allerdings das zweite Album sein. Das erste hätte GEOCENTRIC geheißen, was ja eher der Chronologie der Ereignisse bzw. der Dichotomie der Weltbilder entsprechen würde. Das war mir dann aber zu billig. Außerdem wollte ich nicht, dass wir wieder als „Geo-Metal-Band“ abgestempelt werden…

ANTHROPOCENTRIC ist ja generell einen Tacken rauer als HELIOCENTRIC ausgefallen, obwohl natürlich nach wie vor viele melodische und auch ruhigere Parts vorhanden sind wie in ‚For He That…‘ oder ‚Wille…‘. Dennoch wirkt die Platte etwas erdiger, kantiger. War das ein genereller Ansatz, den ihr bereits vor Beginn der Songwritingphase ins Auge gefasst hattet, oder hat sich das spontan so ergeben?

Das Album hat einfach einen etwas anderen Fokus. HELIOCENTRIC lebt von großen Instrumentierungen und ist live nicht so ohne Weiteres umzusetzen. Deswegen haben wir beim Mix von Vornherein einen anderen Ansatz verfolgt. Die Tatsache, dass die meisten Instrumente in derselben Session aufgenommen wurden wie HELIOCENTRIC sichert gleichzeitig eine gewisse Konstanz in Sachen Sound, was wir wichtig fanden, weil die beiden Alben zusammengehören. Es ist also gewissermaßen ein Spagat gewesen. Aber ich bin mit dem Resultat sehr zufrieden, unsere kollektive Band-Beinmuskulatur ist gut gestretcht.

Hat sich auch dein persönlicher Musikgeschmack in diese etwas kernigere Richtung entwickelt, oder ist das etwas, das du komplett abkoppeln kannst?

Das kann ich nicht pauschal sagen. Ich liebe opulente Orchestrierungen genauso wie rotzige Punk-Alben, die raue Energie versprühen. Ulver mit Sinfonie-Orchester ist wunderbar, Converge ebenso – die brauchen halt kein Sinfonie-Orchester… Mein Musikgeschmack ist sehr vielfältig und spiegelt nicht notwendig immer das wieder, was ich selbst mache oder machen will. Ich höre auch Balkan-Musik und italienische Folklore, aber deshalb will ich mich nicht gleich selbst daran versuchen. Das überlasse ich lieber Mike Patton.

Heutzutage ist es rein technisch ja kein großes Problem mehr, wenn Musiker aus einer Band nicht in derselben Stadt wohnen, sondern sich nur zu bestimmten Terminen zum Proben treffen können. Doch ich stelle es mir schwierig vor, in dieser Situation wirklich inspiriert und bei der Sache zu bleiben, da einen niemand ständig von außen anstupst (und das warst du ja eigentlich gewohnt). Wie schaffst du es, dir immer neue Inspirationsquellen zu erschließen und dich selbst anzutreiben, nicht die Zügel schleifen zu lassen?

Die Aussagen „die Zügel schleifen lassen“ hat so etwas Zwanghaftes. Das ist etwas, das ich beim Schreiben von Musik nicht empfinde. Komponieren ist für mich, zumindest in den besten Momenten, wahrscheinlich die ultimative Befriedigung überhaupt. Mindestens so gut wie richtig geiler Sex! Das klingt jetzt etwas nerdig, ist aber so. Natürlich gibt es schwierige Momente und kreative Einbahnstraßen, aber ich hatte noch nie das Problem, in einer Inspirationsflaute zu sein. Das mag auch daran liegen, dass ich meist viele Monate im Jahr gar keine Musik schreibe. Auf Tour packe ich das zum Beispiel einfach nicht. Aber dann, wenn es ruhiger ist, hat sich so viel angestaut über die Zeit, dass die Ideen nur so rausfließen.

Thematisch befasst du dich diesmal mit der Rolle des Menschen im Universum. Das ist natürlich ein großes Thema, zugleich aber auch ein sehr kleines, weil enorm privates, persönliches, zu dem es keine universelle Antwort geben kann. Daher die Frage: Betrachtest du deine Texte (auch) als Denkanstoß für die Fans (der auch durchaus Diskussionen auslösen soll), oder sind sie in erster Linie nur für dich selbst gedacht, damit du deine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen kannst (und für dich selbst durch die intensive Beschäftigung mit einem Thema Lösungen/neue Ideen entwickeln kannst)?

Das Album hat ja gewissermaßen eine politische Agenda, ist ein Plädoyer für die Abschaffung des Christentums. Auch wenn Religionskritik an sich kein politisches Thema ist: Es steht eine klare Botschaft hinter dem Album, die kommuniziert werden will und soll. Es gibt verschiedenste Ansätze, Texte zu schreiben. Ich selbst habe auch viele persönliche, introvertierte Texte geschrieben, dabei ist die Motivation natürlich eine andere. Texte, die nicht direkt Gefühle oder Erfahrungen zum Gegenstand haben, sind eine heikle Sache. Oft geht dabei etwas verloren, da Musik an sich überwiegend über emotionale Zustände übertragen wird und ihre Funktionsweise irrational ist und nicht den Gesetzen der Logik folgt. Sprache hingegen ist streng genommen nichts anderes als Logik. Das beißt sich. Deshalb ist es oft leichter, sich hinter Zwei- oder Undeutlichkeiten zu verstecken.

Haben für dich Musik und Text denselben Stellenwert?

Am Ende ist mir die Musik meist doch noch wichtiger. Bei Reden oder Lesungen empfinde ich jedenfalls nicht dieselbe Art von Befriedigung wie beim Hören eines richtig guten Albums. Das heißt aber nicht, dass Texte unwichtig sind: Sie eröffnen dir bestenfalls eine Tür zu einer anderen, tieferen Rezeptionsebene und verstärken das durch die Musik ausgelöste Empfinden. Wenn mir ein Album so sehr gefällt, dass Textzeilen hängenbleiben und ich mir dann die Texte durchlese, kann das die Euphorie für das Album noch verstärken. Texte kanalisieren und konkretisieren die eigene emotionale ‚response‘, und zwar selbst dann, wenn sie eher abstrakt gehalten sind. Es wird dir damit nämlich vorgegeben, was du dabei empfinden sollst. Sie füllen quasi die Musik mit semantischem Inhalt. Das kann auch nach hinten losgehen: Wenn mir ein Album zunächst gefällt und ich dann später merke, dass die Texte ultrabehindert sind, kann’s mir die Freude nachträglich versauen.

Zumeist ist es ja so, dass ein Song bzw. ein Album in erster Linie über die Musik funktioniert, zumindest im Metal-Bereich. Erst wenn Menschen die Musik mögen, setzen sie sich auch mit den Inhalten auseinander. Wie ist das bei dir persönlich?

Das ist bei mir ganz genauso und das ist auch gut so. Wir wollen ja keine Lesetour machen, sondern Rock’n’Roll. Wenn Leute unsere Mucke mögen und sich einen Scheiß um Konzepte oder Texte scheren, ist das für mich völlig in Ordnung. Ich habe lieber ein lautes, besoffenes Feierpublikum als die Nerd-Fraktion, die mit verschränkten Armen und ernstem Blick hinterm Mischpult steht und versucht, die technischen Rätsel unserer Produktion zu durchschauen.

Wenn ich mir Danko Jones angucke, sind mir die Texte auch egal. Ich weiß nur: Da geht’s ums Ficken, das ist gut, das reicht. Wenn’s live zündet und die Texte nicht dermaßen bekloppt sind, dass man das nicht mehr ignorieren kann, bin ich zufrieden. Die meisten Konzerterlebnisse sind so. Dann gibt es alle zehn bis 20 Monate mal ein ganz besonderes, außergewöhnliches Erlebnis, bei dem mehr passiert. Darauf bleibe ich dann hängen wie auf Droge und denke noch tage- und nächtelang daran. Dafür reicht es bei Danko Jones dann eben doch nicht…

Den ersten Teil des Interviews findet ihr im ausführlichen Heft-Interview. Es steht im aktuellen METAL HAMMER (hier die Details), der seit dem 20.10.2010 am Kiosk liegt.

Die Ausgabe kann einzeln und portofrei für 4,90 Euro per Post bestellt werden. Einfach eine Mail mit dem Betreff „Einzelheft Metal Hammer 11/10“ an einzelheft@metal-hammer.de schicken.

Petra Schurer

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