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Valborg: Massiv und dick ohne Stress

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Am 17. Mai erscheint das siebte Valborg-Album ZENTRUM. Im Zuge dessen erfahren auch ihre frühen Veröffentlichungen eine aufwändige Neuauflage – ob ihnen dadurch endlich die verdiente Aufmerksamkeit zuteil wird? Wir trafen das Trio nach seinem Konzert mit Mantar in Göttingen zum Gespräch. Dabei ging es unter anderem um Synästhesie, ‘Doom 2’ und Kuckucksuhren im Weltraum – doch lest selbst.

Hallo, ihr drei. Zunächst einmal: wie war das Konzert?

Jan Buckard (Gesang, Bass): Richtig schön. Viele Leute, schöne Bühne, guter Sound – da macht das Spaß.

Für euch war es das erste Mal in Göttingen und eure erste Show mit Mantar. Wie kam es dazu, dass ihr zusammen auf Tour seid?

Christian Kolf (Gesang, Gitarre): Über unseren Kumpel Simon Hawemann, der früher bei War From A Harlots Mouth gespielt hat und jetzt bei Nightmarer spielt. Er ist ein großer Valborg-Fan, wohnt in Florida, wo Hanno (Klänhardt, Mantar-Frontmann – Anm. d. A.) auch wohnt, und hat ihm von uns erzählt. Soweit ich weiß, geben Mantar selbst gerne Acht darauf, wer ihre Support-Bands sind – da hat Hanno uns gefragt. Persönlich kannten wir ihn vorher nicht.

Dennoch haben Mantar in der Ankündigung ja in den höchsten Tönen von euch gesprochen und euch als „Deutschlands bestgehütetes Untergrundgeheimnis“ bezeichnet. Was meint ihr, wieso ihr nach 17 Jahren immer noch so verhältnismäßig unbekannt seid?

JB: Weil wir dann vielleicht doch nicht so gut sind. (lacht) Nein, wir sind schon ziemlich gut, aber das, was wir machen, ist schon ziemlich speziell. Das gibt es vielleicht auch noch nicht so, dass es da schon fertige Fans für gäbe wie bei Dimmu Borgir-Copy-Band XY.

CK: Wir haben die ersten vier Alben eben auch DIY-mäßig gemacht, da war jetzt nie so der Druck. Erst die fünfte Platte ROMANTIK kam über Temple of Torturous, ab 2016 wurde es mit dem Signing bei Prophecy Productions etwas größer.

Ihr habt also nicht versucht, absichtlich Underground zu bleiben?

Florian Toyka (Schlagzeug): Nein, nein. (lacht) Allein schon, weil man ja an größere und bessere Shows kommt je bekannter man ist. Das ist unser Hauptantrieb – finanziell kommt da eh nichts bei rum.

Simplizität als Konzept

Eure Musik lebt ja sehr vom Sound und Arrangement: kompositorisch sind die Songs relativ reduziert, dafür atmosphärisch unheimlich dicht und brachial in Szene gesetzt. War Simplizität als Konzept von Anfang an vorgesehen?

FT: Das hat sich beim Aufnehmen der ersten Platte so ergeben.

CK: Man muss dazu sagen, dass wir immer live einspielen wollten und das beim ersten Album auch so gemacht haben. Dabei ist uns aufgefallen, dass es mit dem Geld, das wir zur Verfügung haben, nicht funktionieren würde, Sachen zu spielen, die wir nicht so richtig können. Wir sind also simpler geworden, weil wir wollten, dass es gut klingt.

Pragmatisch. Habt ihr all eure Platten live eingespielt?

CK: Fast alle, die ROMANTIK nicht.

FT: Und das neue Album ZENTRUM auch nicht. Das war aber auch der Tatsache geschuldet, dass ich ein Jahr lang in Bukarest gelebt habe. Ich habe dann dort in einem befreundeten Studio die Drums aufgenommen und die Jungs haben in Deutschland den Rest gemacht. So konnten wir auch auf die Distanz ein Album machen.

CK: Wir lassen eben immer so ein bisschen die Umstände mit einspielen, damit wir es bequem haben. Das kann man schon beeinflussen, dass man zwar massiv und dick klingt, aber damit nicht so einen Stress hat.

Massiv und dick klingt ihr auf jeden Fall, vielleicht auch gerade wegen der Simplizität eurer Stücke. Auch eure Texte und Artworks sind sehr reduziert: Einzelne Phrasen und Wörter werden immer wieder wiederholt, Album-Cover setzen sich primär aus hartkantigen Farbflächen zusammen. Steckt dahinter ein Gesamtkunstwerksgedanke?

FT: Das hat sich entwickelt. Wenn du dir die ersten vier Platten ansiehst, ist das vom Artwork her ja fast noch Fantasy und ziemlich aufwändig gestaltet. Dass es simpler und strukturierter wurde war Zufall und kam recht spät.

JB: Das fing mit der ROMANTIK an, mit diesem schlicht roten Cover mit dem ausgestochenen V. Das war der Wegbereiter, von dieser „True Metal-Ästhetik“ der ersten vier Alben wegzukommen. Bei ENDSTRAND war es dann direkt auf 100 Prozent: nur noch drei Farben, Totenschädel, Helmsoldat.

Valborg vs. ‘Doom 2’

Auf jeden Fall ist das die Ästhetik, für die ihr heute steht. Auch für das kommende Boxset URKNALL wurde euren ganzen Alben vor ENDSTRAND ein Redesign in diesem Stil verpasst.

FT: Na ja, das ist jetzt im Moment der Style, mal schauen, was da noch kommt. Vielleicht haben wir ja noch mal Bock, das ganz anders zu machen, aber wenn man die Sachen neu veröffentlicht, kann man die Gelegenheit auch nutzen, um das Ganze visuell rund zu machen. Es ist auch ein Booklet mit 60 alten Fotos enthalten – das war spannend für uns, sich noch mal so mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen.

Valborg URKNALL

JB: Die Box sollte so aussehen, dass man die einfach haben will. Das sollte einfach ein schönes Produkt werden, ohne dass wir im Booklet jetzt groß erklären, was auf den Bildern passiert. Dadurch bleibt vieles offen, aber man bekommt trotzdem einen Eindruck, und das machen wir ja generell gerne – den Leuten etwas hinwerfen, mit dem sie dann selbst etwas anfangen können. Wie bei den Texten.

Wo du gerade von den Texten sprichst: Das Gerücht geht um, bei ‘Plasmabrand’ ginge es um ‘Doom’, das Videospiel. Könnt ihr das verifizieren?

JB: ja, da steckt schon viel drin: „Satan und Krieg“, und Superwaffen und „Plasmabrand“ – Plasma Gun, ne? ‘Doom 2’. (imitiert Waffengeräusche und unterstreicht das Ganze pantomimisch) Ich glaube, daher kommt das auch, das Wort. „Plasma“ ist mir das erste Mal bei ‘Doom’ begegnet.

CK: Auch „Der Dämon brüllt“, das ist dieser klassische ‘Doom 2’-Dämon.

Das Spiel hatte dann doch überraschend großen Einfluss auf die Metal-Szene – Rammstein haben da ja zum Beispiel auch draus gesamplet für ‘Wollt ihr das Bett in Flammen sehen?’. Ist zwar noch ein bisschen was anderes, aber schon ähnliche musikalische Ansätze wie bei euch.

CK: Satanische Hunde im Weltraum sind halt auch mit das Fetteste, was geht. Wusste ich gar nicht, dass Rammstein aus ‘Doom’ gesamplet haben.

FT: Aber stimmt, so weit weg von uns ist das musikalisch gar nicht.

Gemütlichkeit im Raumschiff

Okay, jetzt haben wir viel über euch im Allgemeinen gesprochen – kommen wir zum neuen Album ZENTRUM. Was gibt es dazu zu sagen?

CK: Eskalative, Kryptoschlaf, Future-Religion, Sinnesfragen, Orientierungslosigkeit…

JB: … Mensch im All, über sich selbst nachdenken, viel schlafen, weit fliegen, kein Plan, sich nicht mehr erinnern können…

CK: … auch totale Auslöschung der Menschheit…

JB: Gibt’s auch mal, ja.

CK: … und neue Artenbildung dadurch.

Sind all diese Begriffe, die ihr gerade in den Raum geworfen habt, irgendwie in ein übergeordnetes Albumkonzept eingefasst, oder treffen die jeweils nur auf einzelne Songs zu?

JB: Es gibt schon so einen Rahmen, aber jeder Song hat seine eigene Richtung.

FT: Ich glaube, bei uns ist jedes Album irgendwie ein Konzeptalbum.

CK: Also ganz früher fing es an, dass wir Titel hatten, dann sind wir irgendwann so Filme gefahren. Das wurde immer schärfer von Album zu Album. Bei ENDSTRAND zum Beispiel stand am Anfang der Gedanke „Wir machen ein Album, das gelb sein soll“. Wir wussten aber von Anfang an, dass das nicht wirklich gelb wird, sondern dass sich durch diesen Gedanken einfach ganz viel entwickelt.

Valborg ZENTRUM

Also irgendwie so ein synästhetischer Ansatz?

FT: Genau. Da ging es von der Farbe Gelb zu nuklearer Strahlung und davon hin zu diesem Endzeit-Gedöns.

CK: Bei ZENTRUM wiederum ging es viel um so eine Vorstellung von Gemütlichkeit. Gemütlich im Raumschiff, aber nicht so cybermäßig.

FT: Eher so schwarzwaldmäßig, mit Kuckucksuhr und Teppich.

CK: Wir haben dann so urtypische deutsche Namen mit Dämonen verbunden: Walter Scheidt Pazuzu, Schmitz Therion, Weltraumkreuzer Fichtenberg… das ist irgendwie gar nicht so richtig eingeflossen, aber hat uns zu dieser Idee der Future-Religion gebracht. Der Jan liest halt auch viel Science-Fiction.

JB: Wir wissen oft selbst nicht, was passiert – und das ist auch gut so. Ich habe gar keinen Bock, Texte zu schreiben, bei denen ich vorher ganz genau weiß, was ich schildern möchte. Lieber lasse ich mich selbst überraschen, wie sich alles entwickelt.

CK: Was man sich sonst so vorstellt unter einem Konzeptalbum, dass man sich vorher alles ausdenkt und aufschreibt und so – das fühlt sich für uns viel zu statisch an. Wir lassen uns da eher treiben und haben Spaß. Am Ende hat es sich bisher trotzdem immer so angefühlt, als würde sich alles harmonisch zusammenfügen. ZENTRUM sollte zum Beispiel ursprünglich „Kreuze“ heißen, dann kam der Flo an und meinte „Ich habe geträumt, unsere neue Platte wäre rausgekommen, die hieß aber nicht ‚Kreuze‘ sondern ‚Zentrum‘.“ Das fanden wir alle ultrafett. In deiner Wahrnehmung bist du halt immer das Zentrum, egal welchen Platz du in diesem Riesenuniversum hast.

Ja zur Atmosphäre

Also ist eure Arbeitsweise grob zusammengefasst planlos aber zielorientiert?

JB: Ja, genau. (lacht)

Alles klar, zurück zum neuen Album. Im direkten Vergleich zu ENDSTRAND ist ZENTRUM wieder deutlich atmosphärischer und weniger auf die Fresse. Wie kommt das?

FT: Na ja, allein schon durch die Produktionsweise. ENDSTRAND ist live eingespielt und dementsprechend punkig von der Attitüde her.

CK: Außerdem ist ENDSTRAND als Band entstanden – ZENTRUM wurde auf Synthesizern geschrieben, genauso wie die ROMANTIK. Uns war aber schon klar, dass die nächste Platte nach der ENDSTRAND zwar ballern muss, aber auch wieder mehr Atmo haben sollte. Nochmal dasselbe Album zu machen würden wir verabscheuen. Der Fun liegt für uns halt irgendwie auch darin, zwar wir selbst zu bleiben, dabei aber trotzdem auch immer irgendwas anders zu machen. Wofür macht man es sonst? Bei uns geht es viel ums Kreativsein.

Last but not least: In jedem Promotext von euch wird das Zitat von Tom Warrior (Celtic Frost, Hellhammer, Triptykon) bemüht, in dem er euch als „äußerst originell“ und „einzigartig“ bezeichnet und euren Sound als eine „Mischung aus Bohren & der Club of Gore mit den frühen Black Sabbath und Hellhammer“ bezeichnet. Wie kam es dazu, gab es da mal Kontakt?

CK: Ja, wir kennen den auch. Unser zweites Konzert oder so haben wir in der Schweiz gespielt. Ich hatte damals Kontakt zu der Vanja (Slajh – Anm.d.A.), der Tryptikon-Bassistin, und meinte „komm vorbei und bring den Tom mit“. Dann ist er halt gekommen, das war schon echt cool. Er hat uns dann sogar ermöglicht, auf dem Roadburn zu spielen, und alle paar Jahre sieht man sich mal. Das Zitat kommt ganz vom Anfang, Prophecy benutzen das halt immer noch gern.

FT: Wäre schön, das mal loszuwerden. Das Zitat bezieht sich auf unser erstes Album, ich schäme mich dafür, dass es nach über zehn Jahren immer noch weiter gemolken wird. Ist natürlich schön, dass er das damals gesagt hat, aber wir sind mehr als unsere erste Platte, und entweder sind wir cool oder wir sind es nicht – ganz unabhängig davon, ob Tom Warrior das sagt.

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Spot On: Newcomer-Bands im Fokus

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