Wertschau: Mötley Crüe

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Goldwert

SHOUT AT THE DEVIL (1983)

Provokation ist die oberste Prämisse der zweiten Platte, die Mötley Crüe veröffent­lichen. Pseudosatanismus und Pentagramm plus der schon von Charles Manson missbrauchte Begriff ‘Helter Skelter’ in Form des gleichnamigen The Beatles-Covers machen unmissverständlich klar, dass sich die Crüe kompromisslos auf Kriegsfuß mit dem moralinsauren Amerika begibt. Dabei sehen die frisch geschminkten und toupierten Gossen-Glam-Stars, egal, ob im apokalyptischen Amazonenrahmen (‘Looks That Kill‘) oder in asiatischen Abziehbildszenarien (‘Too Young To Fall In Love’) auch in ihren Videoclips einfach verboten gut und faszinierend gefährlich aus. Als eine der quintessenziellen Blaupausen für den amerikanischen Hair Metal fungiert SHOUT AT THE DEVIL bis heute als großer Song-Fundus für die Setlist-Selektionen der Band.

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DR. FEELGOOD (1989)

Im Zuge neuer Cock Rock-Konkurrenz wie Poison oder den frischgebackenen Sleaze-Superstars Guns N’ Roses muss sich die Band ins Zeug legen, um die Herrschaft über Hollywood nicht zu verlieren. Das von Bob Rock produzierte fünfte Album zementiert ihren Status jedoch mit Bravour. Klanglich so königlich inszeniert, dass Lars Ulrich daraufhin ebenfalls bei Rock anklopfte, finden sich zudem auch die nötigen Hits auf der Habenseite: Vom taffen Titel-Song und der liedgewordenen Adrenalinspritze ‘Kickstart My Heart’ über das bläserbeschwingte ‘Rattlesnake Shake’ und den lässigen Hüftenwackler ‘Same Ol’ Situation (S.O.S.)’ bis hin zu den Bombenballaden ‘Without You’ sowie ‘Don’t Go Away Mad (Just Go Away)’ oder dem finalen The Beatles-Pop-Pathos von ‘Time For Change’ trumpft die Band mit starkem Material auf. Ob DR. FEELGOOD das Mötley Crüe-Album mit den meisten guten Songs ist, ist vielleicht noch diskutierbar. Das mit dem besten Sound ist es definitiv.

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Liebenswert

MÖTLEY CRÜE (1994)

Eine ungeschriebene Rock’n’Roll-Regel besagt, dass ein später in der Diskografie erscheinendes, nach der Band benanntes Album für eine Rückbesin­nung auf deren Ursprünge steht. MÖTLEY CRÜE, welches ohne Vince Neil, dafür aber mit The Scream-Sandpapierstimme John Corabi geschrieben und aufgenommen wurde, stellt diese Regel auf den Kopf, erinnert das Alternative Rock-affine Werk – von potenziellen Vince-Vehikeln wie ‘Poison Apples’ oder ‘Driftaway’ mal abgesehen – doch herzlich wenig an das, was man zuvor mit dem Namen Mötley Crüe verbunden hatte. Mehr Soundgarden als The Sweet wurde das Album von den Fans als Produktenttäuschung wahrgenommen und mit vernich­tenden Verkaufszahlen abgestraft. An der offen­kundigen musikalischen Qualität von seriösen Brettern wie ‘Hooligan’s Holiday’, ‘Smoke The Sky’, ‘Hammered’ oder dem Led-Zeppelin-Vibes versprühenden Balladenmaterial (‘Misunderstood’, ‘Loveshine’) lässt sich indes nicht rütteln. Entsprechend verdient sich dieses wortwörtliche Ausnahmealbum einen Ehrenplatz im Crüe-Kanon.

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Erwähnenswert

NEW TATTOO (2000)

Das achte Werk der Band beweist mit der Absenz von Tommy Lee, dass nur das vollständige Original­mitgliederquartett ein hundertprozentiges Crüe-Album zu garantieren vermag (was diese Konstellation jedoch nicht zwangsläufig vor dem Scheitern bewahrt, siehe GENERATION SWINE). Davon abgesehen ist diese Platte, bei der Ozzy-Drummer Randy Castillo auf dem Schlagzeugschemel und Gunners-Produzent Mike Clink auf dem Produzentensessel sitzt, durchaus besser als ihr Ruf. Als Hard Rock-Wurzel- und Hook-Rückbesinnung funktioniert NEW TATTOO nämlich erstaunlich gut und vermag mit ‘Hell On High Heels’, ‘1st Band On The Moon’, den ‘Shout At The Devil’-Gangshouts von ‘Fake’ oder dem Power Pop-Punk von ‘Pornstar’ durchaus zu punkten. Nebenbei macht es das im Rock-Segment verdammt unglamouröse neue Jahrtausend für Fans der Gattung erträglicher. Erwartungen, heute noch eine der NEW TATTOO-Nummern live zu hören zu bekommen, sollte man allerdings nicht hegen.

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