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Bioshock Infinite: Im Shooter-Himmel

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Als Sie das erste Mal Columbia erblicken, stockt Ihnen der Atem. Doch das bleibt nicht lange so. Als der Mann das erste Mal in den strahlend blauen Himmel blickt, weiten sich seine Augen, und sein Atem stockt. Glitzernde Zeppeline umkreisen eine gigantische geflügelte Statue, die hoch in die Luft ragt. Warmes Sonnenlicht fällt auf einen gepflasterten Weg, an dem lächelnde Händler dampfende Hot Dogs und Blumen in tausend Farben verkaufen. Der Mann fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt, gerne würde er ewig an diesem Ort bleiben. Doch die Zeit drängt. Er muss das Mädchen finden, koste es was es wolle. Es ist seine letzte Chance.

Luftiger Neustart

Der Mann heißt Booker DeWitt. Er ist der Held von „Bioshock Infinite“, dem dritten Teil der Shooter-Reihe, die 2008 einem eher innovationsarmen Genre frischen Wind einhauchte. Denn „Bioshock“ war nicht nur düsterer Horror mit avantgardistischem Setting, es hielt der Gesellschaft auch noch einen beunruhigenden Spiegel vor: Die Unterwasserstadt Rapture war nämlich eine gescheiterte Utopie, deren Überlebende nur noch als bemitleidenswerte Mutanten umherstreiften. Trotzdem war „Bioshock“ nie eine trockene Philosophiestunde, sondern stets ein unterhaltsames Actionspiel. Der Nachfolger überzeugte mit demselben Rezept, fügte aber letztlich wenig Neues hinzu.

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Das wussten wohl auch Entwickler Ken Levine und sein Team von Irrational Games und vermeiden es, ihr Lieblingskind ein zweites Mal auf den Meeresgrund zu schicken: „Bioshock Infinite“ lässt das Wasser um Rapture verdampfen und in Form der Wolken Columbias neu entstehen. Die beeindruckende Himmelsstadt besteht aus zahlreichen schwebenden Inseln, die ein komplexes System aus Brücken und Schienen, „Skylines“ genannt, miteinander verbindet. Das ist zwar nicht gänzlich neu, taucht aber in seiner bisher überzeugendsten Form auf: Die Viertel der gigantischen Stadt erstrahlen in einem hochinteressanten Stilmix euro-amerikanischer Architektur der Jahrhundertwende. Das ohnehin ungewöhnliche Gesamtbild treiben Steampunk-Elemente wie robotische Pferde und die allgegenwärtigen Tech-Zeppeline noch auf die Spitze. Auch die Innenräume sind perfekt in Szene gesetzt und wirken stellenweise wie animierte Gemälde großer Künstler.

Starker Tobak

In Columbia beginnt die Reise Booker DeWitts, der 1912 im Auftrag einer anonymen Person eine junge Frau namens Elizabeth aufspüren und zurück zur Erde bringen soll – um eine ebenfalls unbekannte Schuld zu begleichen. Natürlich wird die Suche nach ihr kein gemütlicher Spaziergang, und schneller als es Booker lieb ist, zeigt Columbia sein wahres Gesicht: Bei einer Lotterie wird von ihm verlangt, ein Paar unterschiedlicher Hautfarbe öffentlich mit einem Baseball zu bewerfen. Natürlich weigert er sich, was der zuvor jubelnden Menge gar nicht passt. Bei solch offenem Rassismus bleibt es nicht, später thematisiert das Spiel weitere gesellschaftliche Schattenseiten wie etwa die Ausbeutung der Arbeiterschaft und seine katastrophalen Folgen – und spätestens dann wird „Bioshock Infinite“ zum sozialkritischen Rundumschlag. 

Kopflose Action

Erneut lenkt dieser reizvolle Kontext aber nicht vom eigentlichen Kern des Spiels ab, der nach der Konfrontation an der Losbude zum Vorschein kommt: „Bioshock Infinite“ ist und bleibt ein knallharter Ego-Shooter. Einer attackierenden Polizistengruppe nimmt DeWitt eine Art Greifhaken sowie eine Vorkriegspistole ab und stürzt sich ohne Zögern in den blutigen Kampf. Schlägt er mehrfach auf die Gesetzeshüter ein, platzen ihre Köpfe wie Melonen – „ Infinite“ ist ganz klar das bisher brutalste „Bioshock“. Derbe wird es auch, wenn Sie Ihre ersten „Vigors“ (Kräfte) einsetzen, die Plasmide des dritten Teils. Davon gibt es insgesamt acht Varianten in Form trinkbarer Ampullen, darunter „Killerkrähen“, die Ihre Feinde bis auf die Knochen zerhacken und „Teufelskuss“, durch den sie qualvoll verbrennen. Jedes Vigor lässt sich mehrfach aufrüsten, was immer mehr Funktionen und Kombinationen ermöglicht.

Der fließende Wechsel zwischen Kräften und Waffen ist essenziell für den erfolgreichen Kampf. Denn „Bioshock Infinite“ ist deutlich actionlastiger als seine Vorgänger – und die Anzahl an Gegnern merklich höher. So nutzen Sie die Vigors fast nur noch im Kampf. Kleine Rätsel wie in „Bioshock“, bei dem Sie etwa mit Feuer vereiste Türen aufschmolzen, gibt es nicht mehr. Auch hacken Sie sich nicht mehr in Gerätschaften. Das ist schade und nimmt dem Gameplay etwas an Tiefe.

Präsidentenmörder

Mithilfe des Greifhakens nähert sich Booker allmählich seinem Ziel Elizabeth. Denn der Haken eignet sich nicht nur für den Kampf, sondern dient primär zur Fortbewegung zwischen den Inseln über die Skylines. Das sieht nicht nur toll aus, sondern sorgt zudem bei nicht schwindelfreien Gemütern für Herzklopfen. Die Reise geht weiter und ein weiteres Mal erwischt Booker die geballte Faust des amerikanischen Rassismus: Hinter unscheinbaren Türen hält eine dem Ku-Klux-Klan-ähnliche Sekte eine Versammlung. Diese verehrt mit einer Statue John Wilkes Booth, den Mörder Abraham Lincolns. Das unangenehme Treffen endet mit einem Gefecht gegen einen spitzkuttigen Anhänger, der sich in einem Krähenschwarm umherteleportieren kann. Das Charakter-Design ist so verrückt wie vielseitig, später gesellen sich noch George-Washington-Roboter mit Gatling Guns, Schergen in diabolisch-roten Teufelsrüstungen oder Geister-Soldaten hinzu.

Ein schräger Vogel

Computer Bild Spiele Schließlich erreicht Booker den Turm von „Monument Island“, dessen Haupt die geflügelte Columbia-Statue darstellt. Dort trifft er erstmals auf die in einem Labor gefangene Elizabeth, die Columbias despotischer Herrscher Zachary Hale Comstock hier unter ständigen Experimenten großgezogen hat. Die unglaubliche Folge davon: Sie kann Portale in alternative Welten öffnen. Erstaunt beobachtet DeWitt, wie scheinbar aus dem Nichts die holprigen Straßen von Paris direkt in der kleinen Versuchskammer auftauchen. Was genau dahinter steckt, wird im Spielverlauf behutsam enthüllt. Bezüglich überraschender Wendungen hält „ Bioshock Infinite“ nämlich locker mit seinen Vorläufern mit – das sei schon einmal verraten.

Als Booker und Elizabeth aus dem Turm fliehen wollen, ertönen plötzlich schrille Schreie und ein gigantischer Schnabel durchstößt die Wand. Sein Besitzer: Der mechanische Vogel „Songbird“, Bewacher der jungen Frau. Es folgt ein Spießrutenlauf zur Spitze der Statue, wo die beiden mit Mühe und durch einen Sprung ins Meer entkommen. Wider Erwarten taucht Songbird im weiteren Spiel lediglich als Story-Träger in Zwischensequenzen auf, zur permanenten Bedrohung wie die „Big Sister“ aus „Bioshock 2“ wird er nicht – eigentlich schade!

Ab diesem Zeitpunkt begleitet Sie Elizabeth für den Rest Ihres Abenteuers – und schnell wissen Sie nicht nur ihren charmanten Charakter und ihre großen, blauen Augen zu schätzen. Denn Elizabeth ist ein Paradebeispiel für einen gelungenen Sidekick. Nie steht sie nutzlos herum oder nervt Sie gar wie Präsidententochter Ashley aus „ Resident Evil 4“. Im Gegenteil, die Dame im hübschen Dress hilft Ihnen, wo sie nur kann. So wirft sie Ihnen im Kampf selbstständig Heilmittel, Salze oder Munition zu, knackt Schlösser oder öffnet Portale mit weiteren Hilfsoptionen. „Sie reagiert auf den Spieler und nicht umgekehrt“, sagt auch Lead Animator Shawn Robertson im Interview mit COMPUTER BILD SPIELE. Das macht sie sympathisch, was eine emotionale Bindung zwischen ihr und dem Spieler erleichtert.

Das Portal-Feature bringt zusätzliche Taktik in die Gefechte. Auf Ihren Befehl befördert Ihre Begleiterin Deckungen, Geschütztürme oder Wasserlachen, die Sie unter Strom setzen, in die Spielwelt. Auch Ankerpunkte für Ihren Greifhaken wandern spielend durch die schwarz-weißen Risse, was alternative Routen eröffnet. Im Zusammenspiel mit den Vigors ergeben sich so nahezu unendliche Möglichkeiten, Ihre Feinde aus dem Weg zu räumen. Ebenso motivierend wirkt die spannende Geschichte. Wenn sie die weiteren Stadtteile Columbias, wie die verkommenden Straßen von Shantytown, oder das Bonzenviertel Emporia erforschen, entstehen in Ihrem Kopf tausend Fragen: Was will Comstock mit Elizabeth? Was hat es mit den Alternativwelten auf sich? Und vor allem: Wer bin ich? So fiebern Sie nervös dem Ende des Spiels entgegen – und hoffen gleichzeitig, dass die fantastische Reise über den Wolken niemals endet …  

Spieledatenbank Bioshock – Infinite

Datum: 26.03.2013
Preis PC: ab € 34,90
Preis PS3: ab € 48,40
Preis Xbox360: ab € 49,00
USK:ab 18 Jahren

Fazit: Bioshock Infinite

Transfer geglückt! Das „Bioshock“-Rezept aus tollem Shooter, außergewöhnlichem Spiel-Design und einer packenden Geschichte funktioniert auch im neuen Szenario tadellos. Der deutlich angezogene Action-Anteil geht gut von der Hand und erhält durch das Greifhaken-und Portal-Feature zudem eine sinnvolle und spaßige Komponente. Nur das Wegfallen des Rätsel-Anteils ist unverständlich, sorgte der immerhin für zusätzliche Spieltiefe. Auch Horror-Fans müssen zurückstecken. Denn so spannend Columbia auch ist: Eine so dichte wie beklemmende Atmosphäre wie in den Tiefen Raptures finden sie dort nicht. Alles in allem ist „Bioshock“ in seiner neuen Form trotzdem erfrischend wie eh und je – und lässt so viele Genre-Kollegen alt aussehen.

Quelle: Computer Bild Spiele.  Mehr bei computerbild.de

>>> Bioshock Infinite: Knackige Systemanforderungen

Mehr Spiele findet ihr unter www.metal-hammer.de/games!

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