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‘Deutschland’: Das sagt die Presse zum Rammstein-Video

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Rammstein haben mit dem episch-epochalen Video zu ihrem neuen Song ‘Deutschland’ für ein mediales Erdbeben gesorgt. Direkt zuvor kam Kritik, weil sich vier Band-Mitglieder in einem 35 Sekunden langem Vorschau-Clip als KZ-Häftlinge verkleidet hatten. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte zum Beispiel: „Wer den Holocaust zu Marketing-Zwecken missbraucht, handelt verwerflich und unmoralisch.“

Man hätte mit einer Stellungnahme sicherlich auch warten können, bis das komplette Video zu sehen ist, aber gut… Das Gros der Beobachter aus dem Presse-Lager scheint kapiert zu haben, welche Botschaft Rammstein mit ‘Deutschland’ vermitteln wollen. Wir wagen einen Rundumblick.

„Spiegel Online“:

Autor Arno Frank will ein „orgiastisch in Szene gesetztes Hadern mit Deutschland“ gesehen haben.

„Deutschland, mein Herz in Flammen, will dich lieben und verdammen“, dröhnt Sänger Till Lindemann und kommt zu dem Schluss: „Übermächtig, überflüssig, Übermenschen überdrüssig“. So eindeutig wie hier haben sich Rammstein bisher noch nie vom Nationalismus distanziert. Nicht auszuschließen, dass auf der kommenden Tournee in Stadien weltweit „Deutschland!“ gebellt werden wird, mit gereckten Fäusten, wie beim Fußball.

Des Weiteren würden „Identitäre und andere Rassisten“ daran und an ‘Deutschland’ „keine Freude haben“.

Das liegt am eigentlichen Clou, der effektiver ist als der plumpe Pathos der Texte – die Besetzung der allegorischen Germania durch Ruby Commey, Schauspielerin am Berliner Ensemble. Denn es ist eine Schwarze, die da im Teutoburger Wald auf die römischen Legionen wartet. Eine Schwarze, an der sich die Kolonialherren kannibalisch weiden. Eine Schwarze, die von Schäferhundwelpen entbunden wird. Eine Schwarze, die eine goldene Rüstung trägt, eine Pickelhaube oder, auch das, SS-Uniform trägt und den ganzen Spuk überleben wird.

„Zeit Online“:

Bei genauer Beobachtung fällt etwa auf, dass die Band die KZ-Referenz keineswegs zum Zwecke eines bequem integrierbaren Aufregers benutzt. Entscheidend ist, was der Sänger Till Lindemann in diesem Zusammenhang textlich vorträgt: „Deutschland, meine Liebe kann ich Dir nicht geben“ – und die Gründe dafür liegen eben unter anderem in der Existenz der Konzentrationslager selbst. Unterstrichen wird diese Absage an ein deutschtümelndes Bekenntnis durch eine zweifellos kühne, aber damit umso wirkungsvollere Verkehrung der Verhältnisse:

An einer Stelle werden die KZ-Schergen von den Häftlingen zur Erschießung zusammengetrieben. Das ist gewiss als revisionistischer Zynismus auszulegen, kann zugleich aber auch als Versuch gelten, die Gebrochenheit der Beziehung zum eigenen Land übersteigernd auszustellen. Passend dazu singt Lindemann: „Deutschland, mein Herz in Flammen, will dich lieben und verdammen (…) Deutschland, ich will dich nie verlassen, man kann dich lieben und will dich hassen.“

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„SZ.de“:

In dem Video gibt es Anspielungen auf die Reformation, Walhalla, Kolonialismus, Sigmund Jähn, Erich Honecker, die RAF, die V2-Rakete und eben auch Auschwitz. Der Text allerdings könnte unzweideutiger nicht sein: „Deutschland, deine Liebe ist Fluch und Segen/Deutschland, meine Liebe kann ich dir nicht geben“, singt Rammstein-Sänger Till Lindemann, eine für seine Verhältnisse geradezu plakative Distanzierung von Patriotismus und Nationalismus. Die Liebe zu Deutschland ist heute selbst für Rammstein ein Thema, bei dem die Band nicht missverstanden werden möchte. Eine Zentralfigur des Clips ist eine schwarze Frau, an der sich das koloniale Deutschland an einer Stelle nährt und weidet. Ohne jede Schwierigkeit lässt sich das Video als Rundgang durch die deutsche Verdrängungsgeschichte lesen.

„n-tv“:

Andere Fragmente verweisen auf das Mittelalter, die DDR oder die Krawalle am 1. Mai in Berlin. Dazu singt Lindemann betont bedeutungsschwanger und zweideutig Zeilen wie: „Deutschland, mein Herz in Flammen, will dich lieben und verdammen“, „Deutschland, ich will dich nie verlassen, man kann dich lieben und will dich hassen“ oder „Deutschland, deine Liebe ist Fluch und Segen, meine Liebe kann ich dir nicht geben“. […] Eines ist zumindest klar: Song und Video sind keine unkritische Liebeserklärung an das besungene „Deutschland“. Ob die KZ-Szene in dem Zusammenhang künstlerisch gerechtfertigt oder eben doch einfach nur geschmacklos ist, dürfte – wie so oft bei Rammstein – weiterhin die Geister scheiden. Das Ziel, Aufmerksamkeit zu generieren, hat die Band damit jedoch auf jeden Fall erreicht.

„Berliner Morgenpost“:

Rammstein erntete für die vorab veröffentlichten Szenen viel Kritik. Der Stiftungsdirektor für die beiden bayerischen KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg, Karl Freller, hat Rammstein zu einem Besuch der KZ-Gedenkstätte in Dachau eingeladen. Freller betonte, Leid und Unmenschlichkeit des Holocausts verböten sich „für Werbezwecke oder Effekthascherei zur Bekanntmachung von Produkten ganz gleich welcher Art“.

„Focus Online“:

Kannibalismus („Mein Teil“), Pornografie („Pussy“), Fettleibigkeit („Keine Lust“) und Leni-Riefenstahl-Referenzen („Stripped“): Rammstein waren schon immer bekannt für ihre provozierenden Videos. Nun aber übertrifft die Band um Till Lindemann sich selbst. […] Es ist eine wilde Zeitreise geworden – mit allem, was irgendwie Aufsehen erregt: Vom Mittelalter über die Nazizeit inklusive Hinrichtungen im KZ über die DDR bis hin in die Zukunft. […]

„Übermächtig, überflüssig, Übermenschen überdrüssig, wer hoch hoch steigt, der wird tief fallen. Deutschland Deutschland über allen“. – „Deutschland, Deine Liebe ist Fluch und Segen. Meine Liebe kann ich dir nicht geben.“ Es sind Zeilen wie diese, mit denen sich Rammstein fraglos treu bleiben. Durch die jahrhundertlange Reise durch die Historie führt die 27-jährige Theaterschauspielerin Ruby Commey als „Germania“, die in unterschiedlichen Rollen auftaucht. […]

Die ersten Reaktionen auf das gut neunminütige Video fielen im Netz mehrheitlich positiv aus. Von „Hatte mich immer gefragt, was von Rammstein noch kommen soll. Die Antwort ist: Genau das!“ bis „Dafür hat sich das Warten gelohnt“ reichten die Kommentare, die auf den verschiedenen Kanälen zu Tausenden abgegeben wurden. Gelobt wurde dabei auch meist, dass die befürchtete musikalische Neuorientierung der Band offensichtlich ausgeblieben ist. Schon nach den ersten Takten des neuen Liedes ist klar: Das ist Rammstein.

„Deutschlandfunk“:

Der Musikjournalist Klaus Walter erklärt im Deutschlandfunk Kultur, dass das altbewährte Kalkül der Band wieder einmal aufgegangen sei. Seit Jahrzehnten sei es Rammsteinstrategie, zunächst eine Provokation in den Raum zu stellen, dann ein bisschen zurückzurudern, ein bisschen zu relativieren und letztlich alles vieldeutig zu lassen, so dass alle Möglichkeiten der Interpretation gegeben seien. In den USA gebe es die kulturindustrielle Parole: „Whatever the product: Sex sells“. Bei Rammstein müsste es heißen: „Was immer das Produkt ist, das du verkaufen willst: Nazi sells“, so Walter weiter.

Die Textzeile „Deutschland, ich will dich nie verlassen, man kann dich lieben und will dich hassen“ klinge zudem sehr nach der beliebten rechten Parole: „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.“ Natürlich seien die Musiker keine Nazis, es bleibe vieldeutig, sie spekulierten aber darauf, dass Rechte sich davon angesprochen fühlen. Im Teaser sehe man zunächst Rammstein in KZ-Uniform mit gelbem Stern am Galgen – und erst wenn man das komplette Video sehe, erkenne man im Nazi, der die Hinrichtung befiehlt, den Frontmann der Band, Till Lindemann, erklärt Walter. Somit würden Rammstein zu Tätern und Opfern. Eine mögliche Interpretation wäre dann: Sind wir nicht alle Nazis? Sind wir nicht auch alle Opfer? „Das ist eine eindeutige Relativierung“, sagt Klaus Walter.

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