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Kaltes Noise-Spektakel: Ruin

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Die Ränge der Musikbühne im Großen Haus der altehrwürdigen Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz inmitten Berlins sind leider nur fast halb gefüllt, dafür aber durchweg illustre: Vom Kunststudenten über den Mitte-Hipster bis hin zu älteren Gästen im Musikprofessoren-Look oder dem typischen Industrial-Fan, schwarzgelackledert und avantgardistisch frisiert, kann man heute eine Menschenkonstellation erkennen, die dergestalt charakteristisch variabel ausgewürfelt ganz gewiss nie zusammengetroffen wäre. Doch als es um 20:15 dunkel wird, sehen sowieso alle gleich aus – nämlich nicht.

Drei dunkel verhüllte Schemen betreten die Bühne, außer jeder Menge Nebel und Rauch ist zu Beginn bei ganz spärlicher Beleuchtung kaum etwas zu erkennen. Schwarz in Schwarz schreitet der schlauchgesichtige Cthulhu im Mönchsgewand nach vorne, und seine beiden seitlichen Mitstreiter an ihren elektronisch bestückten Pulten sind ebenfalls dunkel verhüllt, mit einem Hauch Absurdität dank schief getragener Masken.

Das Licht, ein wichtiger Faktor in diesem lautem Dröhnen, ist zu Beginn spartanisch, aber effektiv eingesetzt, und genau wie das tonale Wirken steigert sich diese wichtige Liaison nach und nach: Drei Laser-Kegel, stets durchbrochen vom allgegenwärtigen Rauch und dadurch Wärme und Kälte beeindruckend im innigen Liebesspiel darstellend, verleihen der kalt-elektronischen, brachialen und aufwühlenden musikalischen Performance die nötige, nicht allzu aufdringliche Begleiterfahrung.

Nach 17 Minuten zerebral immens krachender, zirpender und bollernder Noise- wie Dramatikwucht, diffundierend mit den stets wiederkehrenden vokalen Todesstößen, sei es mit sonorer Grabesstimme, hässlichem Schreien oder übelst verzweifeltem Krächzen – die totale Verzerrung passt sich dem sakralen Gebaren von Eder komplett an, erhebt manipulativ letzt-überzeugend das generelle Grundkonstrukt dieser Darstellung: „Wir sind Außerirdische mit einer Laser-Botschaft an die Menschheit. Auch wenn man die Sprache vielleicht nicht versteht – es klingt nicht gut, wovor wir warnen…“

Mit einer ursprünglichen, reinen Gewalt, wie man sie sonst nur von den Power Electronics-Koryphäen Slogun, Whitehouse oder Kevin Tomkins‘ späterem Output Sutcliffe Jügend gewohnt ist, breitet sich hier eine Begräbniszeremonie aus, deren Düsterelend und Sarkasmus den US-Avantgardisten The Residents zur Ehre gereicht, und als irgendwann schweres Bohrgerät ertönt, immer mehr Rauch und Qualm das Geschehen erhellen, transformieren die einst weißen Kegel zu Strahlen – die Darsteller auf der Bühne sind gefangen in grünen, roten und blauen Laser-Lichtkäfigen. Wer durch seinen von Phon und massiv gefühltem Strom geschundenen Körper noch sehen kann, erkennt hoch im Hintergrund immer wieder hypnotisierende, oszillierende Projektionen; auch die Planeten Jupiter und Mars geben sich die Ehre eines Besuchs.

Nach all diesen herben Druckwellen erfolgt Tonabwärtsstrudeln, man vernimmt „Erase“: Plötzlich verwirrende Electrobeats, welche von grässlich halbhohen Vocals zerschlagen werden. Doch lange hält dies nicht an, es folgt ein rabiates Noise-Terror-Ende, in aller Konsequenz und Deutlichkeit. Nach diesen 52 Minuten, in welchen Martin Eder, Mike Strauss und Roderick Miller ihre „idyllisch-apokalyptischen Visionen von Eders Bildern in düstere, komatös klingende Soundschleifen“ verwandelten, legt das Trio auf der Bühne seine Kostüme ab und es erscheint das zweite Gesicht mit Gitarre, begleitet von Ambient Drones. Ein weiterer Gitarrist sowie Cellist tauchen auf, übernehmen Melodie sowie Instrumentenführung flüssig, und Eder kann sich voll und ganz seinem Mikro widmen, welches er erst liebevoll, dann intensiv mit Gesang benetzt. Wie nun der vorherigen, abnormalen Kälte organische Wärme entgegengesetzt wird, in elf Minuten einfach nur wunderschön „I erase you“ gelebt wird, ist der beste Abschluss, den diese Inszenierung hätte erleben können. „Musik muss extrem und authentisch sein, dann ist mir das Genre egal“, so Martin Eder. Und genau das hat er auch an diesem Abend wieder gezeigt.

Wo einst mit Attila Csihar der sagenhafte Verbund aus alptraumhaftem Industrial, brachialen Gitarren und verstörendem Gesang entwickelt oder mit dem Solistenensemble Kaleidoskop intensiv destruktiv als Avantgarde-Format die Gewohnheit gesplittet wurde, ist von Ruin heute auf eine enorm direkte, ehrliche und morbide Art und Weise all das niedergerissen worden, was besser nie aufgebaut werden wird.

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