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Rammstein: So klingt das Album

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Rammstein

Universal (11 Songs / VÖ: 17.5.2019)

(Sebastian Kessler / 6,5 Punkte)

Der Hype, den Rammstein um ihr siebtes Album herum generiert haben, spottet jeder Beschreibung. In den 25 Jahren ihres Bestehens wurde die Band zum perfekten Dirigenten der Öffentlichkeit – und setzt diesen Hang zum Perfektionismus seit jeher auch auf ihren Alben um. Jeder Ton, jede Silbe scheinen durchdacht und hintersinnig; da macht auch das neue Band-betitelte Album keine Ausnahme. Doch wie viel Neues und Unerhörtes bieten Rammstein in den elf neuen Songs?

Nun, da gibt es die persönliche Ebene. Man ist es gewohnt, dass sich die Band hinter Feuer, Provokation und Schock versteckt. Doch auf dem unbetitelten Album glaubt man, öfter die Menschen dahinter zu hören (vielleicht auch nur, weil man sie nach über zwei Jahrzehnten so gut zu kennen meint). ‘Radio’ ist eine schräge Nummer, mit Kraftwerk-Synthies einerseits und an die heftigen ersten Rammstein-Alben erinnerndem Gitarren-Stakkato andererseits. Man muss kein Biograf sein (aber sollte vielleicht mindestens die Romane von Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz gelesen haben) um zu analysieren, dass die Musiker hier von ihrer Jugend in der DDR singen, in denen das Radiogerät ihr Draht zur Musik „von außen“ war.

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Unangenehmes Kribbeln

„Jedes Liedgut war verboten“, heißt es in dem Song, der mit der Absurdität spielt, dass ein so kleines, unschuldiges Gerät eine Heimlichkeit darstellt. Dass ‘Tattoo’ auf eine verflossene, tätowierte Liebe eines Band-Mitglieds anspielt, ist reine Spekulation. Neben einigen in diesem Zusammenhang schönen Zeilen wie „Auch der Tod kann uns nicht scheiden“ lebt der Song von seinen Kontrasten: Während Rammstein in den Strophen bald zackig wie in ‘Der Meister’ agieren, erhebt sich der Refrain hymnisch und mit dynamischem Schlagzeugspiel. (Nicht nur) hier wird das Werk zum Schmelztiegel „alter“ und „neuer“ Rammstein.

Von Altersmilde keine Spur; wenngleich der ganz große Aufreger (als Referenz denke man an ‘Mein Teil’ oder auch ‘Ich tu dir weh’) nicht auszumachen scheint. Am nächsten kommt dem wohl ‘Hallomann’, in dem Lindemanns lyrisches Ich die Rolle eines Kindesentführers und -mörders („Hallo, kleines Mädchen“ – gruselig von der ersten Zeile an) annimmt. Der zurückhaltend instrumentierte Song mit dominantem Bass entlässt den Hörer mit einem unangenehmen Kribbeln aus dem Album. Auf der anderen Seite klagt ‘Zeig dich’ die Doppelzüngigkeit der katholischen Kirche an und greift damit den aktuellen Missbrauchsskandal auf. Getragen wird der Song (einer der besten des Albums!) von apokalyptischen Kirchenchören und dagegenhaltenden Riff-Wänden. Lindemann bellt zumeist einzelne Worte heraus („Verdammnis. Versprechen.“) und steigert sich zu konkreten Anklagen („Aus Versehen an Kindern vergehen“) – der epische und verzweifelte Refrain („Kein Gott zeigt sich, der Himmel wird rot.“) packt. Stark!

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Miteinander aus Liebe und Hass

Fast ein bisschen brav kommt ausgerechnet ‘Sex’ daher, macht aber dennoch auch dank coolem Rock’n’Roll-Riff wie aus der AC/DC-Schmiede Spaß. In ‘Ausländer’ leben Rammstein ihren Hang zur absurden Komik voll aus – der Ausländer ist (im ersten Moment überraschend) der Deutsche auf Reisen, natürlich auf der immerwährenden Suche nach Zweisamkeit („Ich bin kein Mann für eine Nacht, ich bleibe höchstens ein, zwei Stunden“). Dem Teutonischen treu flicht die Band hier cheesy Neunziger Jahre-Eurodance-Sounds und -Rhythmen ein, ohne dass sie wie Fremdkörper wirken würden. Ein gelungener Spaß zwischen ‘Moskau’ und ‘Pussy’! Das psychotische ‘Puppe’ ist der härteste Song auf dem Album, textlich wie musikalisch.

Der langsame Aufbau vom düster-gotischen Beginn zum finsteren, hypnotisch-stampfenden Wahnsinns-Refrain entfaltet seine volle Wirkung und dürfte live zu einem echten Headbang-Höhepunkt („Und dann beiß’ ich der Puppe den Kopf ab!“) werden. ‘Was ich liebe’ mit seinem stumpfen Beat und die Ballade ‘Diamant’ behandeln das Rammstein-typische Miteinander aus Liebe und Hass. Vor allem letztgenannter Song trägt trotz seiner Kürze positiv zur Dynamik des Albums bei. Mit ‘Weit weg’ schwimmen Rammstein auf der Synth Wave-Welle – waren aber sowieso schon vor allen anderen da und vorne dabei.

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Feuergefährlicher Brandsatz

Dass ‘Deutschland’ das Album eröffnet, ergibt durchaus Sinn: Als Zugpferd setzt es den Ton, liefert der Öffentlichkeit den offensichtlichsten Aufreger und spielt am deutlichsten mit Puzzlestücken aus der eigenen Diskografie. Ebenso kommt der Albumtitel nicht von ungefähr: Das unbetitelte Album vereint alle Trademarks von den harten Industrial-Anfängen bis zu den durchdachteren, poetischen Hymnen. Das macht die Scheibe zum feuergefährlichen Brandsatz, dem sich kein Fan entziehen können wird. Rammstein ist für alle da.

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(Lisa Gratzke / 5,5 Punkte)

Lange erwartet, viel spekuliert und endlich ist es da! Vor allem nach Veröffentlichung der ersten Single ‘Deutschland’ – inklusive Meisterwerk-Video – steht die Frage offen, wie und ob Rammstein diesen Geniestreich mit ihren restlichen neuen Stücken überhaupt toppen können. Als Eröffnungsnummer setzt besagter Song die Messlatte hoch – und wird kaum übertroffen. Auf klarer Augenhöhe steht ‘Puppe’ – die stimmliche Darbietung Lindemanns im Refrain verursacht Gänsehaut: so viel Schmerz, so viel Wahnsinn!

Das ruhige und tiefgehende ‘Diamant’ könnte glatt ‘Ohne dich’ den Rang ablaufen, und ‘Weit weg’ greift vor allem textlich. ‘Sex’, ‘Tattoo’ oder ‘Radio’ hingegen überzeugen nur bedingt – oder bräuchten schlicht ein paar weitere Durchläufe, um tatsächlich zu wirken. Welche thematischen Debatten ‘Zeig dich’ oder ‘Hallomann’ auslösen werden, schürt bereits jetzt maximale Vorfreude. Letztendlich ist das unbetitelte Werk nicht die große Überraschung, doch auch meilenweit davon entfernt, eine Enttäuschung zu sein. Fans werden dieses Album sowieso inhalieren. Rammstein sind zurück!

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(Thorsten Zahn / 7 Punkte)

Knapp zehn Jahre sind seit LIEBE IST FÜR ALLE DA vergangen, in denen so mancher Fan zeitweise bangen musste, ob es überhaupt noch ein weiteres Rammstein-Album geben würde. Doch spätestens mit der Live-Darbietung des neuen Songs ‘Ramm4’ (der es leider nicht auf das Album geschafft hat) 2016 redete man sich zumindest ein, dass die Band neues Material schreibe. Und dann ging es Schlag auf Schlag – Countdown, Zündung, Explosion: ‘Deutschland’ war geboren, in Wort und Bild.

Kritiker verstummten ob des massiven inhaltlichen Tsunamis dieses einen Songs, und die Fans knieten nieder und weinten vor Glück, Erfüllung und Dankbarkeit. Ihre Lieblings-Band hatte ihnen einen neuen Über-Song geschenkt. Eine zeitlose Hymne, zur rechten Zeit am rechten Platz. Mitten in das Herz einer Nation, die, kopflos und verwirrt wirkend, genau solch eine Mahnung gebrauchen kann. Ein Meisterstück, sowohl textlich, musikalisch als auch optisch. Mehr Rammstein geht nicht!

Lyrische Meisterleistung

Und damit ist die Messlatte für das unbetitelte Album sehr hoch gelegt. Aber jeder Fan kann sich ganz entspannt in die elf Songs fallen lassen. Rammstein wiederholen gewisse Schemata, ohne zu langweilen. Erinnerungen an bereits gehörte Songs in der Vergangenheit sind nicht ideenlos, sondern gewollt. So fällt der amüsant-brisante Song ‘Ausländer’ in die Kategorie ‘Mein Land’: tanzbar und mit einem Grinsen im Gesicht. ‘Diamant’ könnte das neue ‘Ohne dich’ werden, und ‘Weit weg’, ein lustvoll-frivoles Epos mit mega-catchy Synthesizern, krallt sich ganz fest an deine Innereien, vor allem durch Till Lindemanns lyrische Meisterleistung.

In der Ganzheit des Albums schafft es der Ausnahmesänger übrigens ein weiteres Mal, sich im Vergleich zu den Vorgängeralben zu steigern: ‘Puppe’ ist nach sieben Alben die extremste Guttural-Leistung und provoziert Gänsehaut. ‘Diamant’ hingegen ist eine balladeske, voluminöse gesangliche Darbietung und entpuppt sich damit als krasses Gegenteil. So verhält es sich auch mit dem gesamten Album: Alle Extreme, die das Rammstein-Universum hergibt, werden ausgelotet. Harte Riffs, tanzbare Beats (‘Radio’ zum Beispiel ist ein Glanzstück eines Ohrwurms), wundervolle Harmonien und mitreißende Melodien: Das Album bietet alles in einem.

Scharf geschnittene Songs

Es klingt gewohnt und dennoch frisch. Das liegt vielleicht auch an Änderungen im Team; der Platz von Produzent Jacob Hellner Platz nahm ein langjähriger Weggefährte der Band ein: Olsen Involtini, eigentlich Live-Mischer Rammsteins bei Konzerten. Scharf geschnitten mit einem tiefgehenden Sound-Kleid kommen die elf Songs des neuen Albums daher. Was sage ich? Songs? Elf Höhepunkte! Elf Höhepunkte, die es nach mehreren Hördurchgängen schaffen, aus dem Schatten des übergroßen Vorab-Songs ‘Deutschland’ hervorzutreten, jeder auf seine ganz eigene Art und Weise.

Sollte dies das letzte Rammstein-Album sein, stellt es wie die anderen zuvor ein weiteres Ausrufezeichen in der musikalischen Geschichte Deutschlands dar. Danke dafür!

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