Einzigartige Leistungen werden dadurch erreicht, dass man sich dorthin traut, wo zuvor noch niemand war – und sich diesen Ort zu eigen macht. Das beweist auch Amalie Bruun alias Myrkur mit ihrem zweiten Album. Glücklicherweise hat sich die Dänin vom Gemecker bemitleidenswerter kleiner Szenegnome nicht unterkriegen lassen und mit MARERIDT ein wahres Meisterwerk jenseits der Grenzen von Folklore, Black Metal, Ambient und, ja, auch Pop geschaffen.
Die Songs ziehen ihre Stärke aus der Gewissheit, niemandem etwas beweisen zu müssen – und dem Mut zur Experimentation. Der minimalistischen Ballade ‘Crown’ etwa oder dem beschwörenden ‘Funeral’ mit Chelsea Wolfe wohnt eine Dunkelheit und Intensität inne, die sich jenseits profaner Mittel wie Blastbeats überträgt. Die stilistischen Mittel von Choralgesängen über den Herdenruf Kulning und die traditionelle Nyckelharpa sind vielseitig, und wenn dann in ‘Elleskudt’, ‘Maaneblot’ & Co. betörender Feengesang mit infernalischem Gefauche und Gekeife verschmilzt, ist das fast schon eine Offenbarung.
Jeder Song auf MARERIDT fügt Myrkurs Schaffen eine neue Facette hinzu, stets so anmutig schön wie berückend fremdartig und daran erinnernd, dass Licht und Schatten oft nur einen Augenblick voneinander entfernt sind. Einzig der albern verfremdete Spoken Word-Rausschmeißer ‘Boernehjem’ stört das Bild. Aber vielleicht ergibt auch das irgendwann einen Sinn.