Vom Berliner Bahnhof Zoo fährt der Regionalexpress nur knapp 40 Minuten nach Paulinenaue. Dennoch scheint es, als würde man in eine komplett andere Welt abtauchen – tschüss Zivilisation! Von Großstadt-Feeling keine Spur; stattdessen meilenweite Felder, ländlicher Charme, der nächste Supermarkt ist 15 (!) Kilometer entfernt. Hier sagen sich Hase und Igel wirklich gute Nacht!
Gefühlt irgendwo im Nirgendwo findet die fünfte Auflage des De Mortem Et Diabolum (DMED) statt. Bisher fest mit der Hauptstadt und zuletzt mit dem dortigen Columbia Theater verbunden, mussten die Veranstalter kurzfristig nach einer Ausweich-Location suchen. Alles begann im April mit der Konzertabsage von Mgła, Deus Mortem und Revenge in besagter Spielstätte. Später bestätigt das DMED Mgła als Headliner. In unserem beigefügten Veranstalter-Interview lest ihr mehr über die Hintergründe und den Umzug nach Paulinenaue. Doch zunächst zurück zum ersten Festival-Tag!
Freitag, 13.12.2019
Überraschung
Ein winterlicher Kurzurlaub in Brandenburg steht wahrscheinlich nicht ganz oben auf dem Wunschzettel der Besucher des De Mortem Et Diabolum. Dennoch nehmen an diesem Wochenende viele den Weg nach Paulinenaue in Kauf. Bereits am späten Nachmittag tigern einige, vornehmlich schwarz gekleidete, Gestalten durch das Jugendhaus. Die anfängliche Skepsis hinsichtlich der Örtlichkeit löst sich überraschenderweise alsbald in Wohlgefallen auf. Reichlich Platz, angenehme Atmosphäre – alles vorhanden!
Geballer und Mystik
Evohé aus Frankreich heißen die Besucher mit einer gut in Szene gesetzten Darbietung willkommen. Zunächst kniet der Gitarrist am vorderen Bühnenrand und spielt auf etwas, das nach Panflöte aussieht, aber wie ein australisches Didgeridoo klingt. Zum zweiten Song gesellt sich ein weiteres Mitglied zum bisherigen Quartett.
In Wolfsfell gekleidet mutet er wie ein Schamane an, verleiht der Show dadurch eine ganz besondere Optik und unterstützt seine Kollegen beim Gesang. Hin und wieder fiepen die Boxen leicht unangenehm; das ist aber zu verschmerzen. Ungeachtet dessen gelingt der Band mit ihrer Mischung aus Black und Pagan Metal ein überzeugender Auftakt, der ordentlich ballert und die Halle zeitgleich in mystische Atmosphäre hüllt.
Alte Schule
Schon der Soundcheck der Schweizer Matterhorn fegt die Evohé-Stimmung beiseite. Das Einstimmen der Instrumente tut in den Ohren weh, noch bevor das Trio einen Ton seines eigentlichen Sets spielt – autsch. Nach dieser Tortur scheidet die Band mit ihrer Musik die Geister: Matterhorn spielen rasant voranpreschenden, fisseligen Todesmetall – wenig Melodie, viel Geschredder! Auf der Bühne kreisen die Matten von Gitarrist und Bassist um die Hörner. Doch insgesamt klingen die Stücke etwas unstrukturiert und irgendwie nervös.
(Umsatz)stark
Es folgt ein frühzeitiges Highlight des Wochenendes! Nicht nur am Merchandise machen Halphas einen ordentlichen Umsatz, auch der Auftritt des deutschen Fünfers überzeugt. Erst 2014 gegründet, zocken die Männer bitterböse keifenden Black Metal der alten Schule inklusive bemalten Gesichtern, Leder und Nieten. Die Mitglieder schneiden fleißig Grimassen und posen heftig, was nicht überzogen, sondern authentisch wirkt. Kein Wunder, dass Halphas fett Feuer im Hintern haben. Schließlich zelebriert die Gruppe pünktlich zum Festival die Veröffentlichung ihres zweiten Albums THE INFERNAL PATH INTO OBLIVION.
Rarität
Membaris hatten seit Längerem nichts Neues von der Leine gelassen (ENTARTET, das letzte Werk der Limburger, erschien 2012), kurz vor ihrem Auftritt beim DMED aber den neuen Song ‘Architektur fern Struktur’ veröffentlicht – pünktlich. Auch Live macht sich die Gruppe ziemlich rar und ist daher ein gern gesehener Gast des Festivals. Zu bitterbösem Black Metal schmettert der Frontmann Schreie, die Mark und Bein durchdringen, und widmet sich mit voller Hingabe seiner Gitarre. Während er auf altbewährtes Corpsepaint setzt, frönen die Kollegen an den Saiten dem allseits beliebten Kapuzen-Verhüllungslook (nebenbei bemerkt DIE optische Konstante der Veranstaltung).
Hypnotisch gut
Mit ihrer im Februar erscheinenden Platte THE HARROWING OF HEARTS im Gepäck schreiten Blaze Of Perdition zur Tat. Nummern wie ‘Ashes Remain’ beweisen das Können der fünf Künstler aus Polen eindrucksvoll. Einnehmendes, gar hypnotisches Riffing, Tempowechsel, erhabener Gesang – Blaze Of Perdition erlauben ein Abdriften in ferne Sphären und lassen die Zuhörer in ihren Klangwelten dahinschwelgen.
Überzeugendes Duo
Kurze Zeit später weckt ein die Schleimhäute durchdringender Weihrauchgeruch auch den Letzten aus seinem Trance-Zustand. Als Bölzer aufschlagen, ist es kaum mehr möglich, einen Platz in den vorderen Reihen zu ergattern. Fotografieren wird – weil leider kein Fotograben vorhanden ist – zur unlösbaren Herausforderung. Als Deko-Element nutzen die Schweizer ein Tablett mit brennenden Kerzen und kreieren so eine heimelig-okkulte Atmosphäre. Generell sind Black Metaller auf der Bühne ja nicht für ihre Publikumsinteraktion bekannt; umso erfrischender kommt daher die Frage seitens der Musiker nach dem heutigen Wohlbefinden der Besucher – schön. Bölzer treten als Duo auf, liefern aber den fetten Sound einer ganzen Horde.
Wandelbar
Mit Dødheimsgard folgt der Exot des Tages. 1994 gegründet, wandelte die Band in ihren Anfangszeiten zielstrebig im knallharten Black Metal umher. Heute spielen die Norweger progressiv-okkulten avantgardistischen Metal. Funkelnde Tücher zieren die Mikrofonständer, während die Band vorrangig in rotes Licht gehüllt performt. Frontmann Vicotnik stakst vogelartig über die Bühne und lässt die Anwesenden frohlocken, als er einen Song vom ersten Album KRONET TIL KONGE ankündigt. Leider tummeln sich gegen Ende nur noch eine Handvoll Zuhörer vor der Bühne. Schade. Dødheimsgard hätten durchaus mehr Publikum verdient.