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Interview

Thränenkind: Vegane Idealisten

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MH: Kommen wir zum neuen Album: KING APATHY. Was genau wollt ihr damit ausdrücken? Gibt es eine Hintergrundgeschichte, oder eine bestimmte Aussage, auf die ihr hinaus wollt?

Matthias: „Der Titel thematisiert die Art und Weise, mit der viele Menschen ihr Leben bestreiten oder vielmehr ertragen: Sie werden geleitet, dominiert bzw. ‘regiert’, wenn man so will – von einer Unfähigkeit, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und aus unterdrückenden Verhältnissen auszubrechen. Der ‘König Teilnahmslosigkeit’ beherrscht die Welt, indem viele Menschen oft keine Zusammenhänge zwischen ihrem Handeln und den Krisen auf der ganzen Erde herstellen können. Sie glauben, ihr Tun habe keine Konsequenzen und sie könnten sowieso nichts verändern. Damit geht oftmals ein Gefühl der Machtlosigkeit, Isolation und Entfremdung einher. Der Titel ist allerdings vielmehr als kritische Botschaft zu verstehen denn als bloße Darstellung eines Problems. Wir wollen die Hörer anregen, selbst zu reflektieren und sich die Frage zu stellen: Kann ich wirklich nichts verändern? Kann ich diese Enge, diese Antriebslosigkeit und Ohnmacht nicht vielleicht doch durchbrechen? Will ich es zumindest versucht haben, bevor ich resigniere? Ist ein freieres Leben möglich? Kann ich die Mauern die mich umgeben wirklich nicht einreißen? Kann ich die Welt nicht doch zu einem ein klein wenig besseren Ort machen? Kann dieser ‘König’ nicht vielleicht doch entthront werden?“

Nils: „Der Titel stammt von Matthias, der Text dazu aber zum Großteil von mir. In dem Song geht es um moderne Fleischproduktion und das damit einhergehende Leid von Tieren, aber auch von Menschen, die unter erbärmlichen Umständen stundenlang Tiere schlachten, und die Auswirkungen, welche kapitalistische Wirtschaftssysteme und exzessiver Fleischkonsum auf die Umwelt haben. Das kann aber natürlich auf vielfältige Art und Weise interpretiert werden und richtet sich auch an mich selbst. Viel zu oft mache ich nichts und bekomme den Arsch nicht hoch, wenn irgendwo schreckliche Sachen passieren. Die wenigsten Menschen sind bereit, von ihren Privilegien auch nur einen kleinen Schritt abzuweichen. Das lässt sich doch auch im Umgang mit Geflüchteten gut erkennen: Deutschland ist super reich und es gibt genügend Platz, mehrere Millionen Menschen aufzunehmen. Aber die Leute haben Schiss, dass sie dadurch etwas von ihrem Wohlstand verlieren könnten.“

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MH: Auf THE ELK gab es eine kleine Geschichte – ein Geschwisterpaar fuhr zur Beerdigung seines Vaters, durch die Begegnung mit der Natur kamen Heimatgefühle auf. Lässt sich etwas ähnliches auch auf KING APATHY finden?

Matthias: „KING APATHY ist kein Konzeptalbum in der Art und Weise wie es THE ELK ist. Es erzählt keine feste Geschichte und es gibt keine definierten Protagonisten. Es ist aber doch in gewisser Weise ein Themenalbum, da der Titel die einzelnen Songs zu einem Ganzen vereint. Auf dem Album wird ein mehr oder weniger differenziertes Bild davon gezeichnet, was Menschen in unserer ‘zivilisierten’ Welt zu schaffen macht. Es geht um Zwischenmenschliches, aber auch darum, welche Machtmechanismen zu Ausbeutung und zerstörerischem Umgang mit anderen Menschen, Tieren und der Umwelt führen. Die nicht von Menschenhand geformte Welt – die ‘Natur’ oder ‘Wildnis’ – übt eine ungemeine Faszination auf mich aus und ist eine wichtige Inspirationsquelle für mich. Dementsprechend ist der auch auf diesem Album enthaltene Hoffnungsschimmer auch mit der natürlichen Welt verbunden und deutet an, dass selbst eine übermächtig erscheinende künstlich erschaffene Realität nicht für immer hält und letztendlich die Natur ihren Weg findet.“

 

MH: Musikalisch zockt ihr eine packende Mischung aus Post Metal und einer Prise Black Metal-Anleihen, vielleicht sogar etwas Hardcore. Wie kommt dieser Stil zustande?

Nils: „Ich höre persönlich tatsächlich nicht so oft Musik, die unserer ähnelt. Da werden eher 80er-Heavy Metal- oder Punk/Hardcore-LPs aufgelegt. Ich habe vor ein paar Tagen die erste Helloween-EP im Plattenladen gefunden – das pure Glück für mich. Meine Einflüsse auf der neuen Scheibe sind auf jeden Fall die Texte, die sprachlich direkter sind, als die auf THE ELK. Bands wie Carpathian, Modern Life is War oder auch HipHop-Sachen haben mich beim Schreiben inspiriert.“

Matthias: „Ich würde sagen, dass wir alle einen recht breit gefächerten Musikgeschmack haben. Ich für meinen Teil höre sehr gerne amerikanischen Black Metal à la Wolves in The Throne Rroom, Hardcore von Have Heart oder Gather, aber eben auch Grindcore-Bands wie Napalm Death oder Insect Warfare, Metalcore à la Architects; Crustpunk-Mucke, wie sie Amebix und Crass bzw. etwas moderner Fall Of Efrafa oder Tragedy zocken, aber auch extrem ruhige Sachen wie Mogwai, Blueneck oder Explosions In The Sky. Es gibt in der Welt der Musik so viel zu entdecken, dass es für mich keine Option ist sich nur auf ein Genre zu beschränken. Durch diese verschiedenen Vorlieben kommen natürlich allerlei Einflüsse in die Musik und führen letztendlich zu dem, was unter dem Namen Thränenkind veröffentlicht wird. Wie das Ganze dann genannt wird und in welche Schublade es gepackt wird, bleibt anderen überlassen.“

Arch Enemy-Sängerin über ihren veganen Lebensstil

MH: Thränenkind lebt v.a. von Atmosphäre und Emotionen, klingt recht fragil, aber gleichzeitig sehr unbändig und kraftvoll. Ein Symbol dafür, dass Verzicht in vielen Fällen zu Stärke führen kann?

Matthias: „Das hast du schön gesagt. Für mich als Straight Edger und Veganer ist Verzicht auf verschiedene Dinge natürlich ein Thema. Wenn du die meiste Zeit – egal wo du hingehst – von Menschen umgeben bist, die Alkoholkonsum oder Rauchen für selbstverständlich halten, ist es immer wieder interessant zu sehen, wie die Leute darauf reagieren, wenn du sagst: Ich trinke nie und habe noch kein einziges Mal an einer Kippe gezogen. Manche halten dich natürlich für durchgeknallt, viele sind aber beeindruckt und betonen, dass sie das nicht durchhalten könnten. Willensstärke ist auf jeden Fall ein wichtiger Punkt, den ich durch Veganismus und ein drogenfreies Leben schulen konnte und auf viele andere Lebensbereiche übertragen kann – oder es zumindest versuche. Wir leben in einer Gesellschaft, die dich von Kindesbeinen an dazu ermutigt, deine Person bzw. dein Selbst durch das Aneignen von Gütern und Statussymbolen zu definieren. Reichtum und Luxus gelten als erstrebenswert und sind Wunsch und Traum vieler. Was aber, wenn diese Einstellung zu weitreichenden Problemen führt und eine global agierende, kapitalistische ‘Megamaschine’ hervorbringt, die nicht nur alles, was uns umgibt zerstört, sondern letzten Endes auch sich selbst? Welche Auswirkungen dieses ‘Immer-mehr-wollen’ auf den Planeten und seine Bewohner hat, kann jeder sehen, der sich bewusst macht, wie die Menschen miteinander und mit der natürlichen Welt umgehen. Immer weiter werden Kriege geführt, in unberührte Wildnis vorgedrungen, immer schneller schreitet der ‘Fortschritt’ voran. Immer neue Technologien werden entwickelt, um immer noch mehr Ressourcen in kürzester Zeit ausplündern zu können. Die meisten vergessen dabei, dass wir auf einem endlichen Planeten leben und dabei per definitionem der Moment vorbestimmt ist, an dem diese Art und Weise des (Be-)Herrschens zum Erliegen kommt. Das unkontrollierte Wachstum ist die Eigenheit der Krebszelle. Ich hoffe, dass die Menschheit irgendwann an einen Punkt kommt, wo sie das erkennt und ihr Handeln danach ausrichtet. Es ist eine Herausforderung, den Versuch zu starten, mit weniger auszukommen – die Dinge loszuwerden, die man eigentlich gar nicht wirklich braucht und sich auf die wesentlichen Aspekte des Lebens zu konzentrieren. Es kostet Überwindung und braucht einen entschlossenen Willen, aber es gibt einem Kraft; und ich glaube, das ist es wert. Womöglich spürt man diese Einstellung auch in der Art und Weise, wie wir Musik machen. Nicht umsonst ist auf dem letzten Song des Albums einmal mehr ein Zitat von Henry David Thoreau zu hören: ‘In proportion as he simplifies his life, the laws of the universe appear less complex. And solitude will not be solitude, nor poverty poverty, nor weakness weakness.’“

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Metal beim Eurovision Song Contest: Monster wider den Mainstream

Obwohl er auch zehn Jahre nach dem großen Triumph noch einmal dasselbe tun würde, eine zweite Teilnahme allerdings ausschließt, denkt der Finne Tomi Putaansuu alias Mr. Lordi nicht nur mit positiven Erinnerungen an den Sieg beim Eurovision Song Contest 2006 zurück: „Jahre später mussten wir erfahren, dass uns viele alte Fans verlassen hatten – nicht, als wir teilnahmen, sondern nachdem wir gewonnen hatten. Ich werde nie verstehen, warum.“ Der Monsterboss wird noch deutlicher: „Wenn ich eine Band mag, ist es doch egal, welches Forum sie für ihre Auftritte nutzt. Für mich ist die Idee, einen geliebten Künstler nicht mehr zu…
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