Schwachsinnig in die 90er
Fun Punk. Was zum Geier ist das, fragt man sich da erst einmal. Punk ist ja in erster Linie keine Spaßveranstaltung – da geht es um ein Statement, eine Bewegung und – aus metallischer Sicht – stumpfe Musik. Fun Punk geht allerdings in eine ähnliche Richtung. Er ist auch ein Statement, aber eben eines, das mit Humor vorgetragen wird. Der Ulk hatte 1990 anscheinend solch einen Stellenwert, dass man sich im METAL HAMMER gleich mit einem ganzen Special dazu äußert. Und das nicht unbedingt in einem positiven Ton.
„Schwachsinnig in die 90er“ heißt dieses, und stellt gleich zu Beginn ein paar Vermutungen auf, wo das Genre eigentlich seinen Ursprung hat. „Etwa mit den Toten Hosen als teutonische Antwort auf die Punkbands der britischen Insel, als Sex Pistols, The Clash oder The Jam von der Kö?“, fragt sich Autor Detlef Wullbrandt. „Oder aus Verärgerung über die Volksverarsche, die Frl. Menke, Markus, Hubert Kah und andere ekelerregende Ausgeburten der zuvor durch Trios geniales Da-Da-Da-Konzept inszenierten Neuen Deutschen Welle bis zum Erbrechen zelebrierten?“ Er kennt die Antwort nicht. Fakt sei nur, dass es nun in den Neunzigern erneut eine Schar von „mehr oder minder begabten Musikern“ gibt, die es auf das deutsche Liedgut abgesehen hätten.
Die Ärzte sind schuld
Mirco Bogumil von den Abstürzenden Brieftauben bringt seinen eigenen Erfolg bei einem Major-Label mit dem der Ärzte in Verbindung. Oder besagt: mit deren Auflösung im Jahr 1988. Diese Vermutung unterstützt auch Wullbrandt. „Nachdem die Ärzte endgültig ihren kümmerlichen Geist aufgegeben hatten und sich plötzlich ein riesiges Loch im Bereich frühpubertäre Teenieunterhaltungauftat, hockten die großen Firmen plötzlich wie das Kaninchen vor der Schlange und schauten ratlos in die Runde.“
Auch an den Plattenfirmen lässt der Autor kein gutes Haar und wirft auch den kleineren vor, dass diese zwar früh gehandelt haben, aber am Ende auch nur Profit aus der halbgaren Blödelei schlagen wollten, die solche Bands als Musik verkaufen. Und das täten sich Gruppen wie die Abstürzenden Brieftauben und Ex-Ärzte-Mitglied Sahnie „in aller Öffentlich- und Peinlichkeit“ demonstrieren würden. Noch weniger gut zu sprechen ist Wullbrandt auf die Stuttgarter Combo Normahl. „Jedoch schienen nur wenige der ausgegebenen Parole KEIN BIER VOR VIER folgen zu wollen und das Industrie-Debüt von Manfred ‚Manne‘ Rützen, Lars Besa und Jürgen ‚Pippy‘ Pirpamer verkam schnell – ob verdient oder unverdient sei mal dahingestellt – zu einer abgestandenen Gerstenbrühe.“ Autsch, aber was erwartet man auch von jemandem mit dem Spitznamen Pippy?
Zitronen und Schließmuskel
Ebenso verhasst scheinen aber auch King Rocko Schamoni & The Explosions sein. Dieser hätte sein Album JEANS UND ELEKTRONIK als „glänzende Genialität“, den „Grabstein der 80er“ und den „Grundstein der 90er“ beschrieben. Das kann METAL HAMMER-Autor aber nur als eine Einschätzung abtun, „die seinem Selbstbewusstsein sicherlich zuträglich sein mag, an der Realität jedoch total vorbeigeht.“ Aber so seien die Spaßvögel nun einmal.
Wesentlich charmanter sei die Band mit dem eben sehr charmanten Namen Die Goldenen Zitronen. Die hätten mit ‘Am Tag als Thomas Anders starb’ einen richtigen Kulthit hingelegt, mit ihrem Deep Purple veralbernden Coverartwork aber auch eher danebengegriffen haben. „Ritchie Blackmore empfiehlt den Kauf dieses Albums“ steht darauf – was Wullbrandt mit „HaHa, guter Scherz, lange nicht mehr so gelacht“kommentiert.
Zukunft des Fun Punk
Auch die „Zukunft“ des Funk Punk sähe etwas besser aus – vor allem dank der Band Schließmuskel. Das „Hirn“ hinter dieser Gruppe ist allerdings kein Fan des Begriffs, wie er im Text sagt: „Wenn du uns schon in eine Kategorie packen willst, dann schreib einfach, dass wir ‚Rumms-Beat‘ und ‚Disch-Rock‘ machen und das äußerst aggressiv und schwachsinnig. Zumindest können wir von uns behaupten, dass wir nur das machen, von dem wir wissen, dass wir es auch können; und das kann man von vielen anderen Bands beileibe nicht sagen.“ Diese Ehrlichkeit lässt den Autor auf ein gutes neues Album hoffen – auch wenn die dazugehörigen Titel Namen wie ‘Penis Trullala’ tragen.
Anschließend wird noch ein wenig über den textlichen Inhalt der neueren Fun Punk-Bands sinniert. Es sei Lyrik, die sich um tiefgründige Themen wie Sex, Suff und Rock’n’Roll drehen würden. Knallharter Rock mit Texten, die auch nach dem x-ten Pils noch rüberkommen. Am Ende ist Wullbrandt nicht ganz sicher, wo das Ganze noch enden soll – die NDW habe die Achtziger ja auch irgendwie überstanden. Und leider wird es auch der Fun Punk. Das zeigen heute – zumindest auf Festivals – beliebte Gruppen wie Eisenpimmel oder Die Kassierer.
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