40 Jahre METAL HAMMER

40 Jahre METAL HAMMER: Der Internet-Boom in den 90ern

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Das Internet kann man sich heute nicht mehr wegdenken. Es ist dermaßen in unserem Alltag angekommen, dass wir Computer und Smartphones selbst für die kleinsten Dinge verwenden. Nachrichten, Musik, Entertainment und Kommunikation – alles findet im Netz statt. Verdammt, selbst diesen Artikel könnte man gerade nicht ohne das Internet genießen.

Ein Land vor unserer Zeit

Das war aber einmal anders. Es gab eine Zeit, da mussten die Leute noch Telefonnummern in die Tasten tippen, um jemanden zu erreichen. Oder eine Postkarte aus dem Urlaub schicken, statt einer WhatsApp-Nachricht mit einem Bild. Wir reisen zurück in diese Zeit, als das Internet gerade Neuland war, und die Leute mit einer Mischung aus Aufregung, Verwirrung und Angst auf das World Wide Web reagierten. Denn genau in dieser Zeit, genauer gesamt im Mai 1995, erschien ein Special im METAL HAMMER, das sich mit dieser bahnbrechenden Entwicklung beschäftigt. Also steckt das Modem ein und taucht ein Land vor unserer Zeit!

Der Autor des Artikels, Howard Johnson (der damals für alle 12 europäischen METAL HAMMER-Titel von London aus arbeitete), beginnt seinen aufklärerischen Text mit dem Gedankenspiel, wie schön es doch wäre, mal persönlich – als Fan – mit Eddie Vedder zu sprechen. Oder zu wissen, was gerade bei Tommy Lee abgeht. „Das alles ist heute dank eines Computer-Networks, das mit Siebenmeilenstiefeln die Welt erobert, längst keine Zukunftsmusik“, verdeutlicht er die irren Möglichkeites des Webs. „Internet wird schon sehr bald die Zukunft des persönlichen Informationsaustausches in aller Herren Länder sein.“

Johnson erklärt daraufhin grob, wie das Internet eigentlich funktioniert und wo es herkommt. Dass es ursprünglich vom US-Verteidigungsministerium als Notfallkommunikationsmittel erdacht war und nun für jeden über den stinknormalen Telefonanschluss zu nutzen ist. Und, dass es frei von jeglichen Regulierungen oder Zensur ist: „Es ist eine der wenigen Einrichtungen, in der absolute Freiheit herrscht“. Auch das ist mittlerweile Geschichte.

Idiotensicheres Internet

Das Ganze muss für die Leser in den 90ern ganz schön abgefahren klingen. Doch da gibt der Autor Entwarnung: „Wenn Leute wie Tommy Lee oder Courtney Love das können, besteht wohl für jeden von uns berechtigte Hoffnung…,“ schlussfolgert er. „Das Internet-System bietet dem Benutzer zahlreiche Möglichkeiten: Beispielsweise kann man sich Kunstwerke per Computer ins Haus holen, Bücher lesen, selber Nachrichten abschicken oder sich ganz einfach darüber schlau machen, wie man die Erde in die Luft jagt. Außerdem gibt es Softporno-Bilder von Pamela Anderson, die – so vermute ich mal – allerdings nicht von Tommy Lee stammen…“ Allerhand zu entdecken, also.

Daraufhin beginnt der große, sehr unmetallisch geratene Service-Teil des Artikels. Es ist schon spannend zu sehen, wie sehr die Leute das Netz damals beschäftigt haben muss. Immerhin widmete sich der HAMMER in einem ellenlangen Bericht der Erklärung der einzelnen Features. Bezug zur Musik? Bis dahin Fehlanzeige. Es wird erklärt, wie man sich eine E-Mail-Adresse erstellt, natürlich um mit Dave Mustaine zu schreiben, in Gruppenforen diskutieren kann und was mittlerweile veraltete Internetzweige wie Usenet (eine Art Newsreader) oder File Transfer Protocol (zum Verschicken größerer Daten) sind.

Viele der Beispiele, wie Chatrooms, werden anhand von Megadeth erklärt. „Megadeth sind Vorreiter der Internet-Technologie“, schreibt Howard Johnson, und schwärmt von den Online-Diskussionen der Fans. Kurios wirken heute aber auch die IRC-Sessions von Mötley Crüe. Dort „trafen“ sich Fans, um gleichzeitig dieselbe Crüe-Platte aufzulegen und dann darüber zu chatten. Am wichtigsten ist dem Autor jedoch die Kommunikation zwischen Künstlern und Fans. „Bei dieser Art der Verständigung werden Mißverständnisse von vorneherein ausgeschaltet“, schreibt Johnson, und liegt aus heutiger Sicht leider falsch. „Für viele Bands eröffnet sich erfreulicherweise ein Weg, sich ihren Fans unverfälscht mitteilen zu können.“

Vorreiter Megadeth

„Megadeth gehen sogar noch einen Schritt weiter. Unter dem Namen Megadeth Arizona haben sie eine Adresse eingerichtet, unter der Fans Informationen austauschen können, tolle Grafiken finden und einen Radiosender (KDETH), der Samples von ihrem aktuellen Album YOUTHANASIA spielt. Man kann sich sogar seine persönliche Megadeth-Postkarte ins Haus holen.“ Wahnsinn!

Auch Aerosmith werden für ihre technische Weitsicht gelobt. Johnson erzählt, dass die Jungs „begeisterte Internet-Fans sind und sogar per Netz eine Pressekonferenz abhielten, bevor sie dort den Song Head First für die Fans zugänglich machten. Die Band war dermaßen überzeugt von ihrer Idee, daß sie auf sämtliche Royalties verzichtete, damit ihre Anhänger an die Nummer kamen. Die Qualität läßt im Augenblick natürlich noch zu wünschen übrig, aber es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis wir die Möglichkeit vorfinden werden, Musik qualitativ einwandfrei über den heimischen PC zu empfangen.“ Wie recht er doch hatte, denn nur ein paar Jahre später war das – sehr zum Ärger von Lars Ulrich und Metallica – schon um Meilen besser.

Unerschöpfliche Möglichkeiten

Apropos Metallica. Um den Artikel etwas aufzuhübschen, wurden einige Zitate berühmter Musiker eingefangen. So sagte etwa James Hetfield, dass er „immer und überall dabei sei. Auch beim Thema Internet.“ Und Courtney Love gab zu, dass das Internet monatelang ihr einziger Ansprechpartner war. Auch mit dabei: Eine Liste von allen Bands, die bereits eine eigene Website haben.

„Die Möglichkeiten erscheinen momentan schier unerschöpflich. Progressive Künstler und Firmen haben bereits erkannt, welche ungeahnten Dimensionen sich hinter dem Internet verbergen, und es ist atemberaubend zu beobachten, wie schnell sich das Netz ausdehnt. Aber was das Größte daran ist: Es macht tierischen Spaß!“

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