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Fundstück

Saitenhieb: Was will eigentlich dieses ganze komische Publikum hier?

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[Dieser Artikel ist ein Fundstück aus unserem Archiv aus dem September 2010]

Liebe Rocker,

der Festival-Sommer nähert sich mit großen Schritten. Was in der hart rockenden Gemeinschaft in zunehmendem Maße eine Frage aufwirft: „Was will eigentlich dieses ganze komische Publikum hier?“

Ein nicht ungewöhnliches Szenario sieht so aus: Man steht nach Stunden brütender Hitze endlich an der optimalen Position zwischen Getränkeversorgung, Bühne und Abort, das Intro der Band, die alle Strapazen wert ist, erklingt, und dann… nimmt der Typ im schlechten Bootleg-Shirt vor uns seine (in der Regel) weibliche Begleitung auf die Schultern. Meistens, weil sie den Sänger so niedlich findet.

Hier kann man mithilfe kollektiver „Die Alte muss weg!“-Gesänge noch humorvoll kontern. Aber wie reagiert man auf ein grellfarbene Sonnenhüte tragendes Publikum, das zum Takt einer Death Metal-Hymne Ausdruckstänze zelebriert; auf Horden, die mit überdimensionalen aufblasbaren Händen die Sicht blockieren; auf sich im Kickbox-Unterricht wähnende Heinis im Pit? Natürlich mit Toleranz, schließlich wurde keiner von uns mit wallender Mähne und Pommesgabel auf die Welt gebracht.

Ein Paradebeispiel dieser Tugend verdanken wir übrigens dem Privatsender Pro Sieben, der die Abenteuer von Pinar und Mimi, zwei allen gängigen „Mallorca-Tussi“-Klischees entsprechenden Damen, auf dem Wacken Open Air dokumentierte. Wie die Headbanger auf die beiden, mit Verlaub, „Gören“ reagierten, nötigt einem Respekt ab – denn genau so soll es sein.

Doch was ist mit der bereits gesichteten „Eeeey, Paaadie“ grölenden Schulklasse auf Abschlussfahrt oder dem Sangria saufenden Junggesellenabschied? Gerade in einer Zeit, in der Musik immer wertloser und nebensächlicher wird, sollte man denjenigen, denen es egal ist, ob da nun gerade Slayer oder Scooter spielen, ein paar Worte mit auf den Weg geben: „Das ist es verdammt noch mal nicht!“

Dass man überhaupt erklären muss, dass gerade aus der Subkultur stammende Stile wie Rock, Metal oder Punk „per Definition“ eher Einstellung als Episode sind, darf nicht entmutigen. Dabei geht es nicht um „Trueness“, nicht um „Ich war schon Old School, als ich deine Mudder kennengelernt habe“ oder Alter, nicht um Abschottung. Es geht um Respekt: vor der Musik, vor denen, die sie machen, und vor denen, die sie lieben. Und natürlich auch vor denen, die noch dahin kommen möchten, wo wir schon sind. Traut euch, gesellt euch zu uns, feiert mit uns, bringt Fleisch mit, lernt unsere Welt kennen. Lernt dann aber bitte auch die Musik kennen und lieben! Wer dazu nicht mal ansatzweise bereit ist, fühlt sich möglicherweise in der nächsten Großraum-Disco besser aufgehoben.

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