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Maik Weicherts Kolumne: Heldentode, Reisekatalogsprache und Joey DeMaio

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Heaven Shall Burn Maik Weichert
Heaven Shall Burn 19.03.2010 Session
Weimar – , Germany

Erwachsenwerden ist beileibe nicht einfach und es tut auch wirklich weh, klare Überzeugungen, kompromisslose Vorlieben und unantastbare Jugendhelden aufgrund der hinzugewonnenen Lebenserfahrung zu hinterfragen. Das ist nichts, was ich heute bewusst mache, aber es passiert eben. Man merkt, wie Dinge wirklich laufen, was sich hinter den Kulissen abspielt und man merkt viel zu oft, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Mit 16 denkt man eben noch, man weiß wie alles funktioniert und dann kommen langsam die Zweifel und Erkenntnisse. Das ist für einen heranwachsenden Geist oft schmerzhafter als jeder Liebeskummer

Doch eines stimmt: wahre Helden sterben nie! Wahre Helden sind unsterblich, aber dafür erlöschen die leuchtenden Augen ihrer Bewunderer nur allzu oft.

Einer meiner Helden ist an seinem Verfall aber selbst Schuld. Ich meine keinen wirtschaftlichen oder körperlichen Niedergang, sondern den Verlust von Erhabenheit, Unantastbarkeit, die Wandelung von Ruhm und Glorie zu Spott und Lächerlichkeit.

Wie oft hab ich als Metalkid zu „Fighting the World“ und dem Übermegahammeralbum KINGS OF METAL meiner Nackenmuskulatur das Äußerste abverlangt, hab die Texte mitgeschrien und habe dem DJ-Spinner auf unserer Dorfdisse Prügel angedroht, wenn er nicht wenigstens „Carry On“ spielt. Manowar waren für mich geil, fett, einzigartig und der Inbegriff von Metal. Okay, selbst damals hab ich das Rumgepose in Ledertangas und Kamin-Fellvorlegern nicht ernst genommen. Die Sexistischen Texte und Aussagen der Band waren Klischee, das einfach dazu gehörte – scheiß drauf – was einfach gestimmt hat war die Musik!

Doch dann kam irgendwann der Punkt, den jeder große Künstler einmal zu erreichen scheint. Die Inspiration zu neuen Heldentaten fehlte, die gleichen Konzepte, Vorgehensweisen und Zutaten bringen nicht mehr das gleiche Ergebnis, die Musik von Manowar war einfach nur noch durchschnittlich. Songs, die auf der KINGS OF METAL vielleicht maximal auf der B-Seite einer Single gelandet wären, waren auf einmal die Single-Auskopplungen, die man auf Pro7 und sonst wo bewarb. Nach ein bis zwei solchen Reinfällen glaubte man noch an eine schlechte Phase der Band, doch im Laufe der Jahre haben Manowar mehr als eindrucksvoll bewiesen, dass sich wohl wirklich nichts mehr ändern wird. Und selbst Eric Adams, einer der besten Sänger der Metal-Geschichte, der es noch so oft vermocht hatte, schwächelnde Songs zu Granaten zu formen, wird daran nichts mehr ändern. Dieses Ständige hin und her zwischen vollmundigen Versprechungen, Ausblicken und daraus genährter neuer Hoffnung auf weitere Meisterwerke und Heldentaten versus sich ständig wiederholender Enttäuschung ist irgendwann zu viel.

Jede neue News die Manowar raushauen, ist einfach nur noch zum Lachen, eine neue ausgelutschte DVD hier, eine Playbackshow da, eine verzögerte Tour dort… Neuer Höhepunkt das 350 Euro Ticket für das Magic Circle Festival.

Für 350 Euro gibt es:

1. Laminierten Pass und Umhängeband
2. Besondere Konzert-Plätze
3. Gelegenheiten für Meet and Greets und Autogrammstunden
4. Ultimate Fan BBQ
5. Backstage-Tour bis auf die Bühne beim Soundcheck
6. T-Shirt
7. Parking Pass
8. Zugang zum abgetrennten Campingplatz damit

Da weiß ich wirklich nicht, ob ich lachen oder heulen soll. Wer hat denn bitte Bock, die News seiner Lieblings-Bands wie einen Reisekatalog lesen zu müssen um zu erkennen, was er wirklich für sein sauer verdientes Geld bekommt!?

1. Laminierten Pass und Umhängeband > ca. 50 Cent Herstellungskosten, Farbkopierer und Fernsehshop-Laminiermaschine von Oma machen es sogar für den halben Preis.

2. Besondere Konzert-Plätze > Stehplatz auf oder vor der Rollstuhlfahrertribüne

3. Gelegenheiten für Meet and Greets und Autogrammstunden > „Gelegenheit“ sich zwei Stunden in eine Schlange zu stellen und vorgedruckte Autogramkarten zu erhalten, jedoch nur wenn der Produktionsablauf die Band zu dieser Zeit abkömmlich macht.

4. Ultimate Fan BBQ > im Backstage werden wahrscheinlich für 30 Min. aus dem Catering-Zelt die anderen Bands verjagt und Mr. DeMaio hält eine seiner Ansprachen. Das ist dann auch gleich das Meet and Greet. Dazu ne Aldi Bratwurst und ein gepantschtes Bier. Meat and Greed triffts dann wohl eher…

5. Backstage-Tour bis auf die Bühne beim Soundcheck > „Hier sind die Dixie Klos, dort die Generatoren für den Strom und da hinten können sie die Dächer der Manowar Nightliner erkennen. Wir bitten um Verständnis, dass der VIP Backstage Bereich nicht betreten werden darf. Bitte sein sie leise auf der Bühne beim Soundcheck, die lauteste Band der Welt kann sonst die Playback Streicher nicht hören…“

6. T-Shirt > Zweifarbiger Druck auf China Shirt – Herstellungskosten ca. 2,50 Euro

7. Parking Pass > siehe oben: Farbdrucker und Laminiermaschine, aber man muss fairerweise auch sagen, dass man damit wahrscheinlich auf dem höchst exklusiven:

8. abgetrennten Campingplatz > übernachten kann. Wow, wahrscheinlich mit Original Manowar Bauabsperrband vom „gewöhnlichen“ Journalisten-VIP-Campingplatz abgetrennt oder sogar auf dem Gelände mit den anderen neidisch guckenden Fans!

Alles in allem Value for Money würde ich sagen, ca. 10 Euro Material- und Personalkosten pro Ticket, von solchen Gewinnspannen träumt selbst die Drogenmafia!

Ehrlich: mit diesem Magic Circle Festival haben Manowar wirklich den Vogel abgeschossen. Da wird in einem Jahr schon die Setlist des nächsten Jahres präsentiert, statt die Songs einfach zu spielen. Ein neuer Song, den man früher einfach mal im Set für die Fans gespielt hat wird nun zur „Welturaufführung“ aufgeblasen und obendrein sagen versprochene Knallerbands ersatzlos ab.
 

Es ist wirklich unfassbar, wie viel Ausbeutung, Verarsche und Lächerlichkeit ein Metaller ertragen kann und seinen Helden trotzdem noch die Treue hält, weiter jeden miesen Promoartikel für Wucherpreise kauft, sich jedes überteuerte Konzertticket ergattert und sich danach die durchschnittlichen Shows schönredet. Wie gesagt, ich hab da als Kid auch jahrelang mitgemacht, doch dann habe ich gemerkt, dass die Platten die ich vergöttere schon viele, viele Jahre älter sind als ich selbst und dass die geniale Musik die ich da höre nichts mit dem zu tun hat, wofür diese Band heute steht. Ich liebe weiterhin diese Musik, aber die „Manowar Industry“ mit ihrem geldgeilen Konzern-Manager DeMaio hasse ich.

Was da als wahrer Metal verkauft wird ist in Wirklichkeit der Tod des Metal, die letzten Perversionen und Skurrilitäten einer verrottenden Plattenindustrie, das Rokoko einer Subkultur, quasi das letzte große Fressen vor dem Untergang – nehmt mit was geht! Der von Mr. DeMaio so hoch verehrte Herr Wagner, dem wir übrigens auch die Wikinger mit Hörnerhelmen zu verdanken haben, hätte das Ausmaß dieser Tragödie und die Abgründe dieser Helden wohl nicht opulent genug zeichnen können. Auch bei Wagner-Aufführungen sind die Gebirge nur aus Pappe, der Himmel nur aus Stoff, die Meere nur aus Farbe – alles Fake, wie bei Manowar. True Metal? Ich sage Fake Metal!

Wenn Mr. DeMaio jeden Monat auf sein Konto schaut, dann kommt er doch vor Lachen nicht mehr in den Schlaf! Wenn ein Genie zum Tyrannen wird oder dem Wahnsinn verfällt, dann ist es meist zu spät bis jemand etwas merkt – genauso ist es mit Manowar und vielen ihrer Fans. Ehemalige Raucher sind meist die schlimmsten Antiraucher, so ist es wohl auch mit Manowar und vielen ihrer ehemaligen Fans!

Ob das Neid ist, was sich hier bei mir zeigt? Natürlich ist es Neid, aber noch viel mehr Abscheu und Mitleid – und diese Gefühlsmischung ist eine Säure die selbst in Stahl gegossene Denkmäler restlos auflöst.

> Regieanweisung: *pathetische Musik wird eingespielt, Licht wird gedämpft und ein einzelner Spot auf mich um den zentralen Satz meines inneren Bekenntnisses hervorzuheben*:

So wie sich einst der gute alte Friedrich Nietzsche von seinem Helden Wagner mit Abscheu abwandte, so habe auch ich Joey DeMaio schon lange den Rücken gekehrt. *hüstel*

Wie gesagt Helden sterben nicht. Mr. DeMaio muss sich also entscheiden: Will er ein Held sein oder will er für den Metal sterben. Nicht sein wirklicher Tod, aber sein Tod als Blutsauger an der Kehle des Metal würde dem Metal neue Lebenskraft einhauchen. Insofern kann man schon mal für den Metal sterben.

Hail, Hail, Hail and Kill.

 

Axel Jusseit Krefeld Germany
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