Sex sells: Erotik als Rebellion

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1978 vollzogen Judas Priest mit STAINED CLASS und dem noch im selben Jahr erschienenen KILLING MACHINE (in den USA aufgrund eines vorausgegangenen Amoklaufs unter dem Titel HELL BENT FOR LEATHER veröffentlicht) die Entwicklung von einer klassisch harten Blues Rock-Band hin zu einem der Vorreiter der sich gerade formierenden New Wave Of British Heavy Metal. Der hippieske Black Sabbath-Look wich langsam, aber stetig der nietenbesetzten Lederklamotte.

„Ich war besonders davon beeindruckt, wie Elvis bei seinem Comeback im Fernsehen in einem Leder-Outfit auftrat“, erinnert sich Rob Halford. „Man kann sehen, wie seine Erscheinung auf das Publikum wirkt. Das hat mich möglicherweise unterbewusst beeinflusst.“ Wenig verwunderlich, dass ausgerechnet einer der schillerndsten Show-Männer der Branche die Saat der Inspiration ausbrachte. Wer Band-intern den Anstoß gab, Judas Priest in die heute bekannte Lederkapelle zu verwandeln, ist indes umstritten.

Leder und Peitschen

„K.K. (Downing, Gitarre, 1970-2011 – Anm. d. A.) behauptet, er wäre der Auslöser für unsere Ledererscheinung gewesen. Aber es gibt ein Band-Foto aus der STAINED CLASS-Ära, auf dem ich als einziger Leder trage!“, proklamiert der Sänger. In seiner Biografie ‘Confess’ (2020) spricht Rob die Lorbeeren allerdings noch seinem damaligen Kollegen zu: „Der radikale Image-Wechsel war Kens Idee, aber ich war sofort mit an Bord. Wir beide fuhren zusammen nach London und kleideten uns dort neu ein – ganz in Leder.“

K.K. selbst beansprucht unterdessen die Idee zum Lederaufzug weiterhin für sich und wiederholt diese Behauptung unter anderem in seinen eigenen Memoiren ‘Heavy Duty: Days And Nights In Judas Priest’ (2018), deren Titel im Deutschen passenderweise ‘Leather Rebel: Mein Leben mit Judas Priest’ lautet. Darin schreibt er: „Wenn ich Rob mit ins Boot holen konnte, was dieses harte Leder-Image anging, das mir vorschwebte, würden sich die anderen aus der Band wahrscheinlich anschließen. Also stiegen wir in den Zug runter nach London und ließen uns dort von ein paar schwulen Typen Lederkleidung nach Maß anfertigen.“

Von der Macho-Kultur bis Marlon Brando

Welche Geschichte dabei der Wahrheit entspricht (oder dieser zumindest näherkommt), ist im Grunde völlig unerheblich. Eine kurze Unterredung zwischen K.K., Rob sowie dem Rest in dem neuen Aufzug, und der Einheits-Look war beschlossene Sache. Schnell mauserten sich Judas Priest zu den stählernen Rockern in Lederkluft. Rob Halford selbst ließ sich sogar zuweilen mit Peitsche in der Hand ablichten. Natürlich ist die optische Nähe zur BDSM-Szene damit nicht zu leugnen. Immerhin kaufte die Band einen nicht unerheblichen Teil ihrer Montur in Sexshops, wie Rob in seiner Biografie erklärte. Der Tenor ihres neuen Erscheinungsbilds wurde allerdings nicht nur dadurch gesetzt. „Unser Leder-und-Nieten-Image festigte sich in den kommenden Wochen und kam ganz natürlich zustande“, heißt es in ‘Confess’.

„Wir ließen uns dabei von allen möglichen Dingen beeinflussen, von der Macho-Kultur bis Marlon Brando. Und am Ende sahen wir eben aus wie eine echte Heavy Metal-Band.“ Für Judas Priest schien die Sache klar: Leder und Metal – das gehört zusammen. Marlon Brando hatte der Lederjacke bereits 1953 in ‘Der Wilde’ das Rebellen-Image verpasst, Peter Fonda drückte dem Look in ‘Easy Rider’ (1969), für den Steppenwolf mit ‘Born To Be Wild’ (1968) übrigens nicht nur den Titel-Song lieferten, sondern auch als eine der ersten eindeutig datierbaren Quellen den Ausdruck „Heavy Metal“ verwendeten, seinen unbändigen Freiheitsdrang auf.

Drang nach individueller Freiheit

Harte Musik und schwarze Tierhaut gingen eine Symbiose ein, die so stabil war, dass sie nichts wieder hätte trennen können. „Von dem Moment an, in dem wir uns komplett in Leder hüllten, fühlten wir, dass wir einen Demonstrations-Look kreiert hatten, der Bestand haben würde“, sagt Rob. Doch hinter der sexuellen Konnotation steckt mehr als pure Provokation. Es ist der symbolische Mittelfinger gegenüber all jenen, die mit ihrer Prüderie und überkommenen Sexualmoral Individualismus und Widerstand im Keim zu ersticken versuchen. Es ist versinnbildlichter Protest, gespeist aus dem Drang nach individueller Freiheit – und ein erfolgreicher noch dazu. Der Leder-Look der Band hat bis heute Bestand und ist auch nach 45 Jahren unverzichtbarer Bestandteil beinahe jeder Judas Priest-Show. Und sie blieben nicht die Einzigen, auf die diese Uniformierung nachhaltige Wirkung haben sollte.

Wie Doro in der damaligen Macho-Welt zurechtkam, wie sehr die Glam Metal-Helden mit dem sexuellen Image spielten und was Sonia Anubis (Cobra Spell) mit ihrem OnlyFans-Portal bezweckt, lest ihr im kompletten Special in der METAL HAMMER-Maiausgabe 2023.

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Rob Halford: Neues Album von Judas Priest ist unvermeidlich

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