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‘Lords Of Chaos’: Kritik von Kennern

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Den kompletten Bericht über ‘Lords Of Chaos’ inklusive dem ausführlichen Interview mit Regisseur Jonas Åkerlund  findet ihr in der aktuellen METAL HAMMER-Märzausgabe.

Anlässlich des heutigen Kinostarts von ‘Lords Of Chaos’ präsentieren wir euch die Expertenmeinungen zum Film des schwedische Regisseurs (und kurzzeitigen Bathory-Schlagzeugers) Jonas Åkerlund. Jener versucht mit ‘Lords Of Chaos’ eine möglichst realitätsnahe Darstellung, welche die Menschlichkeit der Protagonisten in den Fokus rücken, diese aber nicht glorifizieren will.

Robert Müller

Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, aus einem Stoff wie der Geschichte von Mayhem und der blutigen Mythenbildung des norwegischen Black Metal ein Horror-Thriller-Jugend-Dramolett zu machen – nur leider ist das Jonas Åkerlund nicht sehr überzeugend gelungen. Es liegt nicht an den Darstellern, selbst wenn die Vorstellung, dass der Bruder von ‘Kevin – Allein zu Haus’, Rory Culkin, Øystein „Euronymous“ Aarseth spielt, bei einigen sicher Gruselgefühle auslöst.

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Doch Culkin und Emory Cohen, der Kristian „Varg“ Vikernes spielt, schaffen es zumindest annähernd, so etwas wie Charakterzeichnung und emotionale Deutung in das musizierende (wobei der Film überraschend musikarm ist), mordende und brandschatzende Unterfangen zu bringen. Konterkariert wird das Ganze durch die leblose Inszenierung des Umfelds. Alle Nebenakteure bleiben hölzern, werden kaum in die Handlung eingeführt und haben, soweit ich das persönlich beurteilen kann, teilweise nicht viel mit den wahren Persönlichkeiten dahinter gemein – Wilson Gonzalez Ochsenknecht als Snorre „Blackthorn“ Ruch ist schon eine abenteuerliche Vorstellung.

„Sonderbare Rückblenden“

Die wiederholten sonderbaren Rückblenden zur Waldszene mit Euronymous und Dead, die so bedeutungsschwanger wie unmotiviert rüberkommen, irritieren ebenfalls. Øysteins Erzählstimme, die sporadisch in das sichtbare Geschehen eingreift, ist ein vollkommener dramaturgischer Fehlgriff, da sie keinerlei Vertiefung oder Erklärung bietet, sondern vor allem beim zum Fremdschämen schlechten Ausklang des Films weitgehend Plattitüden von sich gibt. Meist geht es nur darum, die Handlung zu einer der sehr sorgfältig inszenierten Schlüsselszenen voranzubringen: Immer dann, wenn Åkerlund auf Dokumentationsmaterial zurückgreifen kann, komponiert er ansehnliche Tableaus – so etwa Mayhems Live-Auftritt mit Dead, dessen außerordentlich blutige Selbstmordszene und auch die Kirchenverbrennungen.

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Das Ganze hat, brutal gesagt, etwas von einem Porno: Alles wird so unsubtil wie möglich auf die Höhepunkte hingetrieben. Deren ausgedehnte und bildschirmfüllende Brutalität passt zu dem dumpfen, kaum Dramaturgie oder Deutung liefernden Drehbuch. Das ist letztlich die größte Schwäche von ‘Lords Of Chaos’: Die Vorlage liefert eben genau keine psychologisch schlüssige Aufarbeitung der Ereignisse, sondern versucht sich an einer teils zweifelhaften Mythenbildung, die der Film in seiner Reduktion auf den Euronymous-Varg-Konflikt aber nicht glaubhaft nachzeichnen kann. Kurz gesagt: Das Drehbuch ist einfach nicht besonders gut.

Gunnar Sauermann

Eine werbewirksame Vorschau auf seinen Film lieferte Regisseur Jonas Åkerlund bereits 2016 ab, als es ihm gelang, Metallica für sein Projekt einzuspannen, indem er eine Konzertszene mit „Mayhem“ als Videoclip für den Song ‘ManUNkind’ unterbrachte. Diese Konfrontation von maximalem „Metal“-Kommerz mit dem norwegischen Untergrund ließ böse Befürchtungen aufkommen. Um es kurz zu machen: Der Film ist gar nicht so übel.

Dafür gibt es Gründe: Zum einen funktioniert ‘Lords Of Chaos’ rein auf der Unterhaltungsebene. Der Plot hat Sprünge und Lücken, die Szenekenner besser schließen können als nicht-metallische Zuschauer, aber er funktioniert auch ohne Vorbildung als eine Art Coming-Of-Age Story mit Splatter-Elementen. Ganz wichtig ist die zentrale Abweichung von der gleichnamigen „Vorlage“, der „Propagandaschrift“ ‘Lords Of Chaos’, die der US-amerikanische Rechtsaußen Michael Moynihan gemeinsam mit dem norwegischen Journalisten Didrik Søderlind verfasst hat.

„Offene Fragen nicht beantwortet“

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Moynihans politische Agenda wird in seiner Glorifizierung der Person Kristian „Varg“ Vikernes deutlich, die Jonas Åkerlund im Film ins Gegenteil verkehrt. Die Geschichte wird aus der Perspektive des von Vikernes (auch im Kino) brutal ermordeten Øystein „Euronymous“ Aarseth erzählt. Dieser Ansatz ist zu begrüßen, denn laut Aussage vieler an den realen Ereignissen Beteiligter war Euronymous der unbestrittene Vordenker von Norwegens schwarzer Szene. Vikernes wird dagegen unbarmherzig als das nach Aufmerksamkeit gierende Muttersöhnchen gezeichnet und obendrein auch noch optisch vom realen „Frauentyp“ heruntergeschauspielert, dass der wütende Aufschrei seiner Armee von Nazitrollen im Internet vorhersehbar ist.

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Es ist dabei offensichtlich, dass das Produktions-Team des Films mit Insidern gesprochen haben muss, da die Vorlage viele gezeigte Punkte nicht anspricht. Trotz aller Detailschärfe und einem Blick für die Szene handelt es sich keineswegs um eine Dokumentation und es gibt ebenso Spekulationen wie dramaturgische Eingriffe – etwa, wenn die gezeigten Messerstiche nicht mit dem Obduktionsbericht übereinstimmen. Der Film spricht sein ambivalentes Verhältnis zur Realität an, indem am Anfang davon die Rede ist, dass er auf wahren Begebenheiten und Lügen (!) basiert. Offene Fragen zu den Vorgängen oder gar Gründen und Ursachen für das Abgleiten einer Jugendrevolte in schwere Straftaten kann und will Åkerlund nicht beantworten. Abgesehen davon, dass es seltsam wirkt, wenn Freunde und Bekannte von Schauspielern dargestellt werden, lässt sich der Film ansehen.

Den kompletten Bericht über ‘Lords Of Chaos’ inklusive dem ausführlichen Interview mit Regisseur Jonas Åkerlund  findet ihr in der aktuellen METAL HAMMER-Märzausgabe.

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