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Mayhem: Attila Csihar über das LIVE IN LEIPZIG-Jubiläum

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Sie sind Brüder im Geiste: Zu Ehren des 30. Jubiläums des denkwürdigen LIVE IN LEIPZIG-Konzerts sowie ihrer verstorbenen Band-Mitglieder Dead und Euronymous legten Mayhem den legendären Gig am 15. Dezember 2022 als „30th Ritual Concert“ neu auf. Frontmann ATTILA CSIHAR nahm sich vor der Show die Zeit, um mit METAL HAMMER über die Bedeutung dieser Show, Attilas persönliche Beziehung zu Dead sowie eine mögliche Veröffentlichung der Neuauflage als Live-Album zu sprechen.

METAL HAMMER: Attila, vor 32 Jahren haben Mayhem ihr legendäres Live-Album LIVE IN LEIPZIG aufgenommen. Wie fühlt es sich für dich an – du bist schließlich bei dem Originalkonzert noch nicht in der Band gewesen – mit der Jubiläums-Show selbst Teil dieses gigantischen Vermächtnisses zu werden?

Attila: Es ist ein sehr besonderes Gefühl. Die Show sollte eigentlich bereits 2020 stattfinden, zum 30. Jubiläum. Doch Corona hat dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung gemacht. Also holen wir das Konzert jetzt nach.

METAL HAMMER: Mayhem waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch keine weltbekannte Black Metal-Band. Wie hast du überhaupt von LIVE IN LEIPZIG Wind bekommen?

Attila: Ich habe – das muss 1991 oder 1992 gewesen sein – LIVE IN LEIPZIG als Tape von Euronymous (Gitarrist, Mayhem, 1984-1993 – Anm.d.A.) bekommen. Mit DEATHCRUSH (EP, 1987 – Anm.d.A.) war ich ebenfalls vertraut. Damals hatte ich bereits mit meiner Band Tormentor gebrochen. Ich war noch bei Plasma Pool (EBM-Band aus Budapest – Anm.d.A.) aktiv. Es fühlte sich so an, als hätte ich mit Metal abgeschlossen.

METAL HAMMER: Das warst du aber nicht…

Attila: Mayhem waren völlig anders als alles, was ich zuvor kannte. Sie kamen aus Norwegen, klangen neuartig, und DEATHCRUSH versprühte dieses unglaublich starke Gefühl der Verzweiflung. LIVE IN LEIPZIG war in dieser Hinsicht sogar noch intensiver. Euronymous hat mir anschließend die Demos zum geplanten Album DE MYSTERIIS DOM SATHANAS (Debütalbum, 1994 – Anm. d. A.) geschickt. Und LIVE IN LEIPZIG – diese legendäre Show – nun selbst zu singen, empfinde ich als große Ehre. Es versetzt mich zurück in diese Zeit.

METAL HAMMER: Inwiefern?

Attila: Es ergibt absolut keinen Sinn, die Songs in dem Stil zu singen, den ich normalerweise bei Mayhem an den Tag lege. Und ich weiß, dass Dead (Mayhem, Sänger, 1988-1991) sehr durch mich und Tormentor inspiriert wurde. Heute versuche ich, ihm stimmlich nachzueifern.

METAL HAMMER: Kanntest du Dead?

Attila: Wir haben uns niemals persönlich getroffen, aber hatten immer diese spezielle seelische Verbindung zueinander. Und ich fühle, dass ich die Songs genauso spielen muss, wie Dead es einst getan hat. Meine Selbstdarstellung ist nebensächlich. Diesen Geisteszustand zu erreichen, war für mich wahnsinnig herausfordernd.

Tom Lubowski Attila Csihar LIVE IN LEIPZIG 30 Jahre
METAL HAMMER-Volontär Tom Lubowski traft den Mayhem-Frontmann Attila Csihar wenige Stunden vor dem „30th Ritual Concert“ zum Interview.

METAL HAMMER: Demnach wird es eine komplett andere Show, als man sonst von Mayhem gewohnt ist?

Attila: In gesanglicher Hinsicht definitiv! Für die LIVE IN LEIPZIG-Jubiläums-Show muss ich in Deads Verstand vordringen. Ich habe viel geprobt, vor allem in den letzten Tagen. Wir spüren einander regelrecht. Es klingt vielleicht ein bisschen abgedreht, aber ich rufe ihn sozusagen in meinen Körper.

METAL HAMMER: Das hört sich in der Tat ziemlich esoterisch an.

Attila: Gesang ist etwas Spirituelles. Sänger verfügen über kein konventionelles Instrument wie beispielsweise Gitarristen. Unser Instrument ist unser Körper. Und den müssen wir in- und auswendig kennen, um mit ihm zu arbeiten. Das ist immer wieder herausfordernd für mich, aber ich liebe Herausforderungen. Ich fühle nichts als den Respekt, der diesem Abend und dem alten Geist Mayhems entgegengebracht wird.

METAL HAMMER: Wird es auch dieselbe Setlist wie bei LIVE IN LEIPZIG sein?

Attila: Es ist exakt dieselbe Setlist. Das ist irgendwie verrückt. Es sind mehr als 30 Jahre vergangen, und wir spielen diese Songs noch immer. Es ist unglaublich, wie die Zeit verfliegt. Trotzdem gibt nach wie vor ein großes Interesse an Mayhem. Immerhin ist die Show beinahe ausverkauft. Dead hinterließ ein tonnenschweres Erbe. Und ein Teil davon ist nun ebenfalls ein Teil von mir. Das wird mir besonders klar, wenn ich versuche, seine Stimme zu imitieren. Es ist eine Verbindung auf so vielen Ebenen.

METAL HAMMER: Wie meinst du das?

Attila: Ich muss zugeben, dass ich bei vielen Shows – wenn nicht sogar bei allen – versuche, während des Intros einige Menschen von den Toten zurückzuholen. Bestimmte Individuen eben. Dead und Euronymous gehören selbstverständlich dazu… manchmal auch Jon Nödtveidt (Sänger & Gitarrist, Dissection – Anm.d.A.). Normalerweise spreche ich nicht darüber. Es ist mir nicht fremd, auf diese Weise mit den Verstorbenen zu kommunizieren. Heute wird eine besondere Nacht.

METAL HAMMER: Definitiv. Aber hast du angesichts der immensen Erwartungen keine Angst, zu scheitern?

Attila: Ich weiß nicht, wer die Idee dazu hatte, LIVE IN LEIPZIG noch einmal auf die Bühne zu bringen. Meine war es jedenfalls nicht. Es ist neu für mich, und natürlich ist es ein kontroverses Vorhaben. Versuche ich wie Dead zu singen, könnte es einigen Leuten möglicherweise nicht gefallen. Tue ich es nicht, ist es dasselbe. Aber das ist mir scheißegal. Ich tue es, um diesen großartigen Sänger zu ehren – aus keinem anderen Grund.

METAL HAMMER: Also gibt es keine konkreten Erwartungen an diesen Abend?

Attila: Nein. In diesem speziellen Fall ist das wohl normal. Wir singen über dunkle Geheimnisse, Hass und andere abgefuckte Emotionen. Es ist okay, hasserfüllt zu sein. Sicher werden wir nicht allen gefallen. Und gehasst zu werden ist wahrscheinlich sogar besser, als gar keine Reaktionen in Menschen hervorzurufen.

METAL HAMMER: Dieses Gefühl ist dir alles andere als fremd.

Attila: Als ich mit Tormentor meine Karriere begonnen habe, wurden wir verachtet. Und zwar überall und von fast jedem in der Szene, der uns kannte. Es war anders als mit Mayhem heute. Wir spielten damals nicht Hunderte Shows.

METAL HAMMER: Aber als Sänger von Tormentor hast du die wohl wichtigste Person erreicht: Dead.

Attila: Stimmt, vor allem mit ANNO DOMINI (Demo, 1989 – Anm.d.A.). Wir hatten damals nicht die Mittel, unser Demo zu veröffentlichen. Aber die wenigen Leute, die uns mochten, lechzten nach einem Album. Also haben wir es auf Tapes überspielt, und einige davon haben es bis nach Norwegen geschafft. So wurden Mayhem auf uns aufmerksam. Ich kannte die Band nicht, bevor sie mich kontaktierte. Mein Pseudonym bei Tormentor war ebenfalls Mayhem – ein komischer Zufall, oder?

MH: Ein Zufall war auch, das LIVE IN LEIPZIG überhaupt zu dem Kultphänomen wurde, das es heute ist. Das verdankt es zum großen Teil der Tatsache, das das Konzert überhaupt aufgezeichnet wurde – wenn auch zugegebenermaßen ziemlich amateurhaft. Aber wie sieht es heute aus? Wird die Jubiläums-Show ebenfalls aufgenommen?

Attila: Wahrscheinlich wird sie tatsächlich aufgenommen, davon gehe ich aus. Heutzutage ist das schließlich viel einfacher als in den 1990ern. Aber ich bin eigentlich kein Fan von aufgezeichneten Konzerten. Ich liebe Gigs, die nur in dem jeweiligen Augenblick passieren. Andererseits hast du natürlich recht: Wäre LIVE IN LEIPZIG nicht aufgenommen worden, hätten wir heute nichts davon.

METAL HAMMER: Anders gefragt: Wie würdest du zu einer Veröffentlichung stehen?

Attila: Ich weiß es nicht. Ich will nicht jeden Scheiß veröffentlichen. Wir werden sehen… Ich fühle mich geehrt, dieses Konzert wieder zum Leben zu erwecken. Ich habe unfassbar großen Respekt vor Dead und Euronymous. Besonders Dead liebte meine Vocals. Ich war einer seiner Lieblingssänger. Das zu wissen, berührt mich enorm. Das ist die Verbindung, die wir teilen. Ich werde ihre beiden Geister für heute Nacht einladen – und dann sehen wir, was passiert.

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METAL HAMMER: Angenommen, Mayhem touren in 30 Jahren noch immer: Würdest du dich auf eine weitere Jubiläums-Show von LIVE IN LEIPZIG zum 60. Jahrestag einlassen?

Attila: (Lacht) Dann bin ich 80. Das wäre verrückt. Aber ich würde es tun. Ich trainiere meine Stimme. Ich kann mir schließlich nicht einfach ein neues Instrument kaufen und muss sie stets auf einem hohen Level halten. Jedenfalls tue ich das, so gut es geht, denn im Alter bauen wir alle zwangsläufig ab. Doch schau dir zum Beispiel Judas Priest an: Die sind immer noch arschgeil. Rob Halford singt ‘Painkiller’ mit über 70 Jahren nach wie vor grandios. King Diamond ist auch Mitte 60 und performt immer noch hervorragend. Es gibt für Mayhem also eine Chance, dass das tatsächlich passieren könnte.

Den ausführlichen Konzertbericht zu Mayhems „30th Ritual Concert“ gibt es im kommenden METAL HAMMER Februar 2023 (VÖ: 11.01.2023) zu lesen.

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