Fast 14 Monate nach der Veröffentlichung von ‘Cyberpunk 2077’ wagen wir uns an einen Test. Warum die lange Verzögerung? Das ambitionierte Rollenspiel vom polnischen Entwickler CD Projekt RED war zum Release im Dezember 2020 auf den Plattformen Playstation 4 und Xbox One unspielbar. Von vielen Spielemagazinen wurde eine Kaufwarnung ausgerufen. PC-Spieler und die glücklichen Besitzer einer Playstation 5 oder Xbox Series X konnten das Spiel zwar einigermaßen genießen, doch auch hier blieb das volle Potenzial hinter einigen Bugs versteckt. CD Projekt RED bemühte sich zwar um Besserungen, jedoch sollte es bis Mitte Februar 2022 dauern, bis Update 1.5 ein rundes Erlebnis bieten konnte. Getestet wurde das Spiel nun auf der Playstation 5 – nur auf den Next Gen-Konsolen oder einem leistungsstarken PC können wir das Spiel empfehlen. Ein Trip nach Night City lohnt sich aber unbedingt, warum erfahrt ihr jetzt.
Düstere Dystopie
Im Jahre 2077 herrschen Megakonzerne über die Millionenstadt Night City, ein unübersichtlicher Moloch aus Kleinganoven, Junkies, korrupten Polizisten und Politikern. Neben reichen Großstädtern siedelt sich dicht an dicht die verarmte Unterschicht.
Ihr spielt V, ein je nach Wahl weiblicher oder männlicher Protagonist. In euren ersten Stunden sollt ihr einen wichtigen Computer-Chip stehlen, doch der Raub geht natürlich schief. Mehr soll gar nicht verraten werden, die Story ist das große Highlight des Spiels. Direkt an zweiter Stelle kommt die Spielwelt: ‘Cyberpunk 2077’ versetzt jeden ‘Blade Runner’-, ‘Mad Max’- oder ‘Ghost In The Shell’-Fan in seine digitalen Träume. Dichte Straßen-Schluchten, Luft-Taxis und biomechanische Menschen füllen das Stadtbild. Die Bezirke von Night City sind abwechslungsreich und originell gestaltet. CD Projekt RED hat sich dafür an einer grandiosen Vorlage bedient: Als Pate diente das Pen- und Paper-Spiel ‘Cyberpunk Red’ welches im Jahr 1988 vom amerikanischen Autor Mike Pondsmith geschrieben wurde. Die Charaktere und Spielwelt stammen größtenteils aus seiner Feder.
Erwachsene Metropole
In Night City gibt es viel Kritik an unserer Welt: Kapitalismus, Korruption und Ausbeutung sind die großen Themen. Das Spiel nimmt den Spieler ernst, Gewalt und Erotik wird unzensiert gezeigt – die an Los Angeles angelehnte Stadt ist ein echt dreckiges und fieses Loch. Und deswegen für uns umso reizvoller. Denn alle Figuren agieren in ihrem Ideal nachvollziehbar und sind nicht überzeichnet, auch wenn der ein oder andere Charakter ein etwas zu cooler Future-Punk ist. Aber auch dieses übertriebene Selbstbewusstsein passt zu den Bewohnern einer Stadt, die jeden verschlingt, der zu zahm ist.
Neben alle der Tristesse und Hektik: ‘Cyberpunk 2077’ nimmt sich die Zeit für ruhige, melancholische und philosophische Momente. Gerade die Freunde von den gemäßigten Genre-Klassikern ‘Blade Runner’ und ‘Ghost In The Shell’ kommen voll auf ihre Kosten. Derzeit gibt es kein so riesiges Spiel, das für diese Zielgruppe passender wäre.
Gameplay & Technik
Wer Shooter wie ‘Destiny’ oder ‘Call Of Duty’ gewöhnt ist, wird sich für ‘Cyberpunk 2077’ umgewöhnen müssen. So präzise und motivierend wie die Konkurrenz ist das Geballer leider nicht. Auch die gefunden Items können nicht überzeugen, obwohl man jetzt nicht mehr so mit Müll zugeschüttet wird wie bei Release. Klasse ist jedoch das Charaktersystem, welches jedem Spieler eine Vielzahl von Körpermodifikationen bietet. Seien es etwa aus den Armen sprießende Klingen oder ein verbessertes Sprunggelenk. Dieses Element fügt sich nahtlos in die Welt ein, in denen biologische Körper mehr zu wandelnden Robotern verkommen. Leider wurden viele vorab angekündigten Features wie eine Reisesystem per Schwebebahn gestrichen, auch sind ein paar Stadtbezirke nicht begehbar, die noch in Trailern gezeigt wurden.
Und auch grafisch haben die Entwickler nicht das volle Potenzial der hübsch-hässlichen Megacity ausgeschöpft: Auf der Playstation 5 kann ‘Cyberpunk 2077’ die meiste Zeit überzeugen, auch wenn bestimmt noch mehr drin gewesen wäre. Die vorher hoch angepriesene Ray Tracing-Funktion ist kaum bemerkbar und büßt dabei viele FPS ein. Viele werden wohl zum flüssigeren Performance-Modus greifen.
Fazit
‘Cyberpunk 2077’ hätte die volle Punktzahl abräumen können. Die nicht ganz perfekte Grafik und das unmotivierende Loot-System lässt sich bei einer solchen Dichte an Atmosphäre und klasse geschriebener Story verkraften. Die Unzugänglichkeit für viele Spieler und die vielen gestrichenen Features sind jedoch nicht zu übersehen, den Status Rollenspiel kann man dem Spiel nicht verleihen. Somit ist ‘Cyberpunk 2077’ ein sehr gutes Action-Adventure mit fantastischer Geschichte, tollen Charakteren, aber leider nicht das Meisterwerk, das uns CD Projekt RED nach über acht Jahren Entwicklung versprochen hat.
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