„Giallo“ ist ein italienisches Subgenre des Thrillers. Die Handlung dreht sich zumeist um die Aufdeckung einer Mordserie. In der Inszenierung werden vor allem detaillierte, brutale Mordszenen benutzt. Großmeister dieser Kategorie ist der 81-jährige Italiener Dario Argento. Sein Klassiker aus dem Jahr 1977, ‘Suspiria’, gilt als einer der wegweisendsten Horrorfilme überhaupt. Dieser hat bis heute wenig von seinem Schock verloren und bekam vor einigen Jahren eine passable Neuverfilmung. Dementsprechend groß können die Erwartungen an sein neustes Werk ‘Dark Glasses’ sein, auch wenn Argentos Filmografie nicht nur Perlen vorweist.
Betörende Traumwandler-Story
Der Einstieg versprüht eine ähnlich unbehagliche Atmosphäre wie sein vorgenanntes Meisterwerk aus den Siebzigern. Wir begleiten eine Autofahrt mit Diana am Steuer, eine Sexarbeitern – gespielt von Ilenia Pastorelli. Ihre Fahrt zeigt das unangenehme, wahrscheinlich realistischere Rom. Viele Straßenzüge ohne besonderen Charme, die Menschen starren gen Himmel. Eine Sonnenfinsternis steht bevor. Minimale Geräusch-Kulisse und das seltsam wirkende Treiben der Bewohner lassen etwas Böses vermuten, was sich bald ereignen könnte.
Diana gerät gleich zu Beginn ins Visier eines Serienmörders, der vorher bereits einige Morde in der Stadt begangen hat. Nach einem Verkehrsunfall verliert sie ihr Augenlicht, die Eheleute im anderen Wagen ihr Leben. Der verwaiste Junge Chin (Xinyu Zhang) überlebt den Crash unverletzt auf dem Rücksitz. Die beiden werden in ihrer ungewollten Bindung die Spur des Killers verfolgen. Von hier an verschwimmen Realität und Gedankenwahn der Protagonistin.
Top Inszenierung trifft auf B-Movie
Der Achtziger Synthesizer-Soundtrack wirkt anfangs zwar noch arg unpassend zum Look des Films, schmiegt sich dann aber angenehm ins Ohr. Der gelegentlich pulsierende Techno kann die Spannung steigern. Die oft schönen und farbenfrohen Aufnahmen, trotz trister Umgebung, wirken hochwertig. Dennoch: Über weite Stellen fühlt sich ‘Dark Glasses’ oder ‘Occhiali neri’ im Original an wie ein B-Movie, dabei steht Argento für hochwertiges italienisches Kino. Das Schauspiel von Ilenia Pastorelli überzeugt weitestgehend, sie ist auf Augenhöhe der üblichen Darbietungen ihrer Kolleginnen im Slasher-Genre. Doch die Konkurrenz ist ja nicht so groß. Leider lässt der Film auch die Groteske seiner frühen Werke vermissen. Die brutalen Morde kommen nicht über normale Genre-Kost hinaus, in Argentos Schaffen erscheinen sie gar harmlos und uninspiriert.
Fazit
Dario Argentos Spätwerk ist verwirrend. In einigen Szenen ist der Film bedrückend und fesselnd zugleich. In der breiteren Hälfte schaut man hier einen austauschbaren Horrorfilm. Jene der Sorte, die früher in den unteren Rängen der Videothek standen. Für wohlgesinnte Horrorhungrige überwiegen die Stärken allerdings.