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Judas Priest: Heute vor 35 Jahren erschien TURBO

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„Pisse schmeckt besser“, urteilte Felix 1666 über Judas Priests zehnten Langspieler TURBO. Indessen merkte MercyfulSatyr an: „Dass Judas Priest, die rechtmäßigen Götter des Metal, einen solchen Gräuel schaffen würden, ist eine Schande – nein, ein Tritt in die Eier – für alles, wofür Heavy Metal und gute Musik im Allgemeinen jemals gestanden haben.“ Und erst am 1. April dieses Jahres schrieb Slater922: „Geradezu alles an diesem Album ist scheiße – und bis zum heutigen Tag bleibt es ihr schlechtestes.“

Andere wiederum pflegen eine gegenteilige, regelrecht unpopuläre Meinung und, ja, finden TURBO sogar hörenswert. Während manche ob der Hochwertigkeit des Albums überrascht scheinen – „Dude, it like totally rocks and stuff.“ –, erfüllt TURBO die Erwartungen anderer. The_Ghoul fasste zusammen: „Am Ende des Tages sind Judas Priest einfach gute Songwriter!“ TURBO war, ist und bleibt ein Album der Extreme. Heute, am 15. April, wird es 35 Jahre alt.

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Randnotiz: Die in diesem Beitrag verwendeten Kommentare sind in den Reviews zu TURBO in der Metal-Datenbank „Encyclopaedia Metallum: The Metal Archives“ nachzulesen. Sie sollen darstellen, wie das 1986 erschienene Album die Metal-Community noch heute in zwei leidenschaftliche Lager spaltet. Darüber hinaus sind alle im Artikel verwendeten Zwischenüberschriften Song-Textschnipsel von Judas Priests TURBO, die nicht nur gewissermaßen zum zugehörigen Textabschnitt passen, sondern in die ihr beim Lesen reinhören könnt. 

Well, We Don’t Care In The Least

Jenem Langspieler, der damals wie heute polarisiert, gingen zwei Überalben voraus. SCREAMING FOR VENGEANCE (1982) und DEFENDERS OF THE FAITH (1984), die sowohl den Durchbruch der Band als auch deren Standing innerhalb der internationalen Heavy Metal-Szene mühelos besiegelten. Hingegen markierte TURBO einen Umbruch: Judas Priest – damals unvergesslich besetzt mit Sänger Rob Halford, den beiden Gitarristen KK Downing und Glenn Tipton, Ian Hill am Bass sowie Dave Holland an den Drums – begannen, mit einem kommerzielleren Sound zu experimentieren. Bestandteil dessen waren erstmalig Gitarren-Synthies, die den Tracks eine weichere Note verliehen und einst selbstauferlegte Genre-Grenzen selbstbewusst einrissen.

Viele störten sich am offensichtlichen Glam-Metal-Einfluss: „Ihr seid weder Poison, noch Bon Jovi. Ihr seid JUDAS PRIEST!“, kommentierte Brainded Binky. Andere schätzten zwar die Kreativität und den Mut der Band, trauerten jedoch dem charakteristischen Priest-Sound hinterher. „Im Wesentlichen ist TURBO ein ordentliches Album, aber für mich ist das kein richtiges Judas Priest“, erklärte Acrobat.

Rob Halford, 1986.
Rob Halford, 1986.

I’m Feelin‘ Reckless

Hingegen positionierte sich Halford in einem Gespräch mit dem Musikmagazin Kerrang! vor mehreren Jahren ziemlich eindeutig zu TURBO: „Einige der technologischen Fortschritte, wie die Pedalboards, die Glenn [Tipton] und KK [Downing] verwendeten, gaben uns die Möglichkeit, neue Sounds auszuprobieren und herumzuexperimentieren. Persönlich denke ich, dass es einige großartige Tracks auf diesem Album gibt.“ Selbst manche Kritikerinnen und Skeptiker von TURBO scheinen zumindest in Hinblick auf den letzten Song des Albums, ‘Reckless’, regelrecht besänftigt: „Nur beim abschließenden Song ‘Reckless’ nehmen Judas Priest Fahrt auf, schalten einige Gänge hoch und spielen auf den klassischen Priest-Stil an“, meint Cosmic_Equilibrium. Doch es gibt ein Aber: „An das Niveau eines Songs wie ‘The Sentinel’ reicht ‘Reckless’ lange nicht heran.“

Auch fand die Produktionsfirma des Actionfilms ‘Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel’ Gefallen an ‘Reckless’. Sie sahen in ihm den perfekten Song für den Abspann. Doch das Angebot hatte einen Haken. Hätten Judas Priest ‘Reckless’ zum Film-Soundtrack beigesteuert, hätten sie selbiges Stück nicht auf TURBO veröffentlichen dürfen. Damals entschied sich die Band dagegen, auch, weil niemand hätte ahnen können, dass der Film solch ein Erfolg würde. Heute bereut Gitarrist Downing diese Entscheidung.

Glenn Tipton and KK Downing, 1986.
Glenn Tipton and KK Downing, 1986.

You’ve Got Me Locked In

Statt ‘Reckless’ begleitete also Kenny Loggins‘ ‘Danger Zone’ den Abspann. Noch heute wird jener Song nicht nur mit ‘Top Gun’, sondern häufig auch mit der damaligen Zeit und Pop-Kultur in Verbindung gebracht. Den Erfolg, welchen sich Judas Priest insgeheim von TURBO erhofften, hätten sie durch den Auftrieb des millionenschweren Blockbusters durchaus bekommen können, weiß Downing. „Wir dachten, ‘Turbo Lover’ und ‘Locked In’ würden reichen – das taten sie aber nicht. Zwar waren die Tour und das Album sehr erfolgreich, doch handelte es sich nicht um den Verkaufsschlager, welchen wir uns erhofft hatten“, gestand der Gitarrist. Nichtsdestotrotz wurde der Langspieler bloß wenige Monate nach der Veröffentlichung mit einer goldenen Schallplatte ausgezeichnet. 1989 dann Platin.

Für Rob Halford war dies eine aufwühlende Zeit: Im Januar 1986 begann er einen Entzug, nachdem er während der Aufnahmen zu TURBO vermehrt mit drogen- sowie alkoholmissbräuchlichem Verhalten zu kämpfen hatte. In der US-amerikanischen Dokumentarserie ‘Behind The Music’ erklärte er, dass der Druck, seine Homosexualität zu verbergen, Depressionen und Isolation verursachte und schließlich zu seiner Drogen- und Alkoholsucht führte. 1998 bekannte sich Halford öffentlich zu seiner Homosexualität.

Judas Priest, 1984.
Judas Priest, 1984.

Make No Mistake

Die anschließende „Fuel For Life“-Tour war besonders. „Ich schiss mir die Hosen voll, weil ich das erste Mal auf der Bühne stand, ohne vorher etwas getrunken zu haben. Doch als die Show begann und ich mich selbst hören und das Publikum sowie den Rest der Band sehen konnte, war das für mich wie eine Offenbarung. Es war einer der besten Tage meines Lebens“, erinnerte sich der Sänger. Zwei Jahre nach TURBO erschien ihr elftes Studioalbum RAM IT DOWN, das zum Teil aus Songs bestand, die eigentlich für TURBO bestimmt waren, denn ursprünglich sollte Judas Priests zehnter Langspieler als Doppelalbum veröffentlicht werden. Bereits damals wandte sich die Band wieder dem charakteristischen Sound zu, den zahlreiche eingefleischte Fans auf TURBO vermissten. Und schon 1990 legten Judas Priest mit PAINKILLER nach, einem Album, welches viele zu den besten entsprechender Diskografie zählen dürften.

TURBO mag nicht Judas Priests stärkstes Album sein, doch mit Sicherheit ist es eines, das Aufsehen erregte – und ein offenes, vorurteilsfreies Ohr verdient. Schließen möchten wir deshalb an dieser Stelle mit den ermutigenden Worten von octavarium: „Hör mal rein! Vielleicht wirst du überrascht erkennen, dass TURBO immer noch eine Judas-Priest-Platte ist. Eine ziemlich unterschätzte dazu!“

Rob Halford, 2019.
Rob Halford, 2019.
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Paul Natkin Getty Images
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Scott Dudelson Getty Images

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