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Zum Todestag: Vor fünf Jahren starb Lemmy Kilmister

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Randnotiz: Alle im Artikel verwendeten Zwischenüberschriften sind Song-Titel von Motörhead, die nicht nur gewissermaßen zum zugehörigen Textabschnitt passen, sondern in die ihr im Gedenken reinhören könnt.

Trat Lemmy vor die Tür seiner bescheidenen Wohnung in der Harratt Street, West Hollywood, brauchte er nur wenige Schritte zu seinem alteingesessenen Platz im Rainbow Bar & Grill, Lemmys Stammlokal und zweites Zuhause am Sunset Strip. Dort, wo Musiker und ihr Gefolge, Stars und ihre Groupies seit 1972 exzessive Partys schmeißen, verbrachte Lemmy jeden einzelnen seiner freien Abende: „Wenn er nicht hier war, war er auf Tournee“, erinnerte sich Mike Weber, Manager der Bar. Er wusste: „Gebt Lemmy Videospiele, einen Whisky-Cola und eine Zigarette und er bleibt ewig.“ Doch auch die Ewigkeit hat ihre Grenzen. Seine ganz persönliche erreichte Lemmy am 28. Dezember 2015.

Lemmy, 2015.
Lemmy, 2015.

Heute erinnert eine lebensechte Statue im Rainbow an seine imposante Person. Sie beweist: Obwohl er nicht aus Los Angeles stammte, wurde Lemmy zu einem unverzichtbaren Teil der Stadt, vor allem jedoch der besonderen Kultur Hollywoods. Gleich zu Beginn der Neunziger Jahre zog er an die Westküste der USA – und blieb. Zuvor wandelte der junge Lemmy als Ian Fraser Kilmister jedoch auf britischem Boden. Er hatte nur wenige Monate auf dem Tacho, als sich sein Vater aus dem Staub machte: „Er war ein elendes Arschloch mit einer Brille. Für mich hat er nur eines getan: mich im Stich gelassen.“ Früh lernte Lemmy, für sich selbst – und seine alleinerziehende Mutter – zu sorgen.

Life’s A Bitch

Also jobbte er: Eine Zeit lang bepinselte Lemmy Türen und Fenster, Wände und Decken. Bei anderer Gelegenheit arbeitete er im Stall oder auf der Fähre, anschließend in einer Fabrik. Später schleppte er die Instrumente für The Rockin‘ Vickers, dann für Hendrix. Für ihn trieb er außerdem Acid auf. Doch Lemmy spürte: Er wollte mehr. Kein Roadie sein, sondern selbst auf der Bühne stehen.

Mit Hawkwind, 1974.
Mit Hawkwind, 1974.

Diese Begierde, dieser Unwille, sich zufriedenzugeben, trieb Lemmy weiter und weiter. Ein Trieb, der die Musikwelt nachhaltig veränderte, nein, bekehrte: Als Bassist von Hawkwind tätigte er die ersten Atemzüge des Space Rock, weit ihrer Zeit voraus. Lemmy beschrieb einmal: „Viele hielten uns für Hippies und Blumenkinder. Das waren wir nicht. Wir waren ein Alptraum. Wir schlossen die Tür ab, damit keiner rauskam.“ Auf ihren abgedrehten Gigs versammelte sich die Drogenszene der jeweiligen Stadt, gemeinsam ließen sie sich auf einen unvergesslichen psychedelischen Ritt ein, zu Hawkwinds Musik verfielen sie in Trance. Nach drei Jahren flog Lemmy aus der Band. Weil er sich den falschen Stoff reinzog: Speed statt Pilze.

Motörhead

Direkt im Anschluss gründete Lemmy eine Band, auf die sich alle einigen konnten: Ob Punker oder (später dann) Hardcore-Jünger, Heavy-Metaller oder Thrasher, ob blutjung oder steinalt. „Wenn das Licht ausgeht und der alte Mistkerl auf die Bühne kommt, die Zigarette ausspuckt und den Bass einstöpselt, ist alles vorbei. Jedem, den man zu einem Motörhead-Konzert schleppt, klappt die Kinnlade herunter“, beobachtete Pepper Keenan von Corrosion Of Conformity und Down. Motörhead waren: aufdringlich, hart und rasend, auf die Fresse, intensiv und klug. Ozzy hält Motörhead sogar für die erste Heavy Metal-Band überhaupt.

Motörhead, 1980.
Motörhead, 1980.

Ja, Motörheads Musik nahm ungemeinen Einfluss auf die übrige Musikwelt. Sehr wahrscheinlich gäbe es ohne sie Anthrax, Megadeth, Metallica und Slayer, die „Big Four“ des Thrash Metal, nicht. Zumindest nicht so, wie wir sie kennen. Eine Schlussfolgerung drängt sich auf: Lemmy war der unverwüstliche, einschüchternde, gutherzige Pate des Heavy Metal.

Victory Or Die

Zunächst jedoch wurden Motörhead zerrissen: Man sagte ihnen nach, „die schlechteste Band der Welt“ zu sein. Wie sich herausstellte, keine allzu schlechte Promo. Mit der Zeit zog es immer mehr ungewaschene Unangepasste vor ihre Bühnen – und Motörhead bewiesen das Gegenteil. Noch kurz vor seinem Tod war Lemmy so erfolgreich wie nie: Im August 2015 veröffentlichten Motörhead ihr 22. Album BAD MAGIC, das sich sowohl in Deutschland als auch Österreich für mehrere Wochen an den jeweiligen Spitzen der Charts hielt. Nicht, dass Lemmy irgendetwas auf derartige Siegertreppchen gegeben hätte, trotzdem bewahrte er einige Schallplatten aus Gold und Platin an den Wänden seiner Wohnung auf. Er sammelte eben schon immer unglaublich gerne. Zweifelsohne spiegelte sich seine unstillbare Sammelleidenschaft auch in den ikonischen Boots wider, die Lemmy regelmäßig eigens für sich anfertigen ließ.

Lemmy, 1984.
1984.

Den Kult um seine Person konnte er wohl nie so richtig nachvollziehen. Stattdessen blieb er auf dem Boden – Rauschmittel-induzierte Trips ausgenommen. Den Drogen schwor Lemmy nämlich bis zu seinem Tod nicht ab. Und trotzdem wurde er so alt, dass er von einer Zeit vor dem Rock’n’Roll, vor Elvis, Little Richard und Jerry Lee Lewis berichten konnte. Seinen Wurzeln blieb er treu: Lemmy betrachtete Motörhead stets als Rock’n’Roll-, nicht als Heavy Metal-Band.

Love Me Like A Reptile

Laut eigenen Angaben ging Lemmy mit über 1.000 Frauen ins Bett, doch verheiratet war er nie. Seine große Liebe, Susann Bennett, verlor er noch zu Teenager-Zeiten an eine Überdosis Heroin. Ihre Leiche fand er in der Badewanne. Von zwei Frauen hatte er zwei Söhne. Zu einem, Paul Inder, pflegte er eine innige Beziehung, der andere wusste nicht einmal, wer sein Vater war. Lemmy glaubte: „Man muss sich entscheiden: Rock’n’Roll oder die Liebe? Sex dauert höchstens eine halbe Stunde. Ein Rock-Konzert dauert anderthalb. Damit wäre diese Frage also geklärt.“

Lemmy, 2008.
Lemmy, 2008.

Obwohl seine Stimme so klang, als fräße er allmorgendlich eine Handvoll Nägel, und obwohl er auf manche einschüchternd wirken mochte, gehörte er zu den wohl edelsten Gemütern der Welt des Sex, der Drogen und des Rock’n’Roll. Egal, wer auf ihn zukam, Lemmy nahm sich die Zeit und sprach mit ihm. Egal, wer ein Foto mit oder von ihm wollte, Lemmy sah geduldig in die Kamera. Und wandte sich anschließend wieder den Dingen zu, die ihn glücklich machten: Marlboro Reds, Jack Daniel’s, Speed, Stripperinnen und Glücksspiele.

No Remorse

Lemmy war ein Kompromissloser, ein Abtrünniger. Motörhead-Drummer Mikkey Dee pflegte zu sagen: „Lemmy hat keinen falschen Knochen im Leib.“ Es stimmte. Ob jemand seine Art akzeptierte oder nicht, war ihm scheißegal: Lemmy ließ sich bis zu seinem Tod nicht verbiegen. Es muss ihn unendlich geschmerzt haben, zuzusehen, wie ihn sein eigener, alternder Körper langsam in die Knie zwang.


Lemmy Kilmister, eigentlich Ian Fraser Kilmister, wurde am 24. Dezember 1945 geboren und war ab Sommer 1975 bis zu seinem Tod am 28. Dezember 2015 Leadsänger, Bassist und einziges beständiges Mitglied der britischen Rock’n’Roll-Band Motörhead. Bis zu seinem Ableben veröffentlichten sie zahlreiche Alben, darunter: MOTÖRHEAD (1977), OVERKILL (1979), BOMBER (1979), ACE OF SPADES (1980), NO SLEEP ‚TIL HAMMERSMITH (1981) und IRON FIST (1982). Jedes einzelne schrieb Geschichte.

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