Es ist ein friedlicher Mittwochmorgen, und ganz Sulingen bereitet sich auf den Alltag vor. Ganz Sulingen? Nein. Ein von unbeugsamen Metalheads bevölkerter Fleck Erde macht sich bemerkbar und vergrößert sich im Laufe des Tages wie ein Schwarzes Loch. Es ist das Reload Festival.
Hier ist die Quelle der monströsen Bässe, die noch Kilometer weit entfernt das Mark und Bein der Bauern-Kühe erschüttern. Wo lautstarke Growls das Grunzen der Schweine übertönen, und die Vöglein auf den Schallwellen purer Brachialität surfen. Aber fangen wir von vorne an.
Auftakt beim Reload Festival: Whitechapel schreddern die Gehörgänge
Am Donnerstag eröffnen die Osnabrücker Lokalmatadoren Iron Walrus die kleine Plaza-Stage, um die Gäste aufzuheizen. Da die inzwischen 18.000 Metal-Fans allerdings schon seit einem Tag in Feierlaune sind, braucht es hier nicht viel, um die entsprechende Stimmung zu kreieren. Grund genug also, um etwas später mit Bodysnatcher noch brutaler zur Sache zu gehen. Harter Deathcore mit tiefen Bassexplosionen bringt die gesamte Fläche zum Beben, und das Publikum arbeitet fleißig an seinem Erinnerungsstück zu dieser Show: dem kräftigen Schleudertrauma. Hier setzen Sylosis und Unprocessed in ähnlicher Manier an.
Auch der restliche Tag spielt sich auf der kleinen Bühne ab, denn die große Impericon-Mainstage öffnet traditionell erst am zweiten Konzerttag. Fiddler’s Green sorgen mit irischem Folk Rock für gute Laune. Eine geeignete Basis also, damit Bands wie Walls Of Jericho, Emmure oder Whitechapel ihren großen Hardcore Punk- und Deathcore-Häcksler anschmeißen können, um die Gehörgänge der Meute angemessen zu schreddern.
Zudem sorgen an diesem Abend die maskierten Mushroomhead für Nostalgiemomente, wenn sie altbekannte Songs wie ‘Save Us’ auspacken und diese mit einer Slipknot-angehauchten Show mit synchronem Trommeln untermalen.
Korn tauchen das Reload in ein dunkles Gewand
Freitag, halb 10 in Sulingen: Müde Metalheads dürfen sich ihren morgendlichen Kaffee bei einer gehörigen Grindcore-Portion von Gutalax einverleiben. Reiner Wahnsinn der Veranstalter oder ein Geniestreich? Vermutlich Letzteres, denn es funktioniert: So viele Klopapierrollen und -Bürsten dürften zu dieser Uhrzeit noch nie über diese Wiese geflogen sein. Und ja: Auch ein Dixiklo wird durch die Menge getragen, wie es sich für ein Konzert der Tschechen gehört.
Nach ausgiebigem Fäkalhumor wird dann endlich die große Hauptbühne eröffnet, auf der sich nun Beyond The Breach austoben, die sich im vorherigen Reload-Bandcontest durchsetzen konnten. Im Lauf des Tages wartet hier ein immer mächtiger werdendes Line-up auf.
Nach einem wütenden Massaker etwa von The Black Dahlia Murder direkt zur Mittagszeit, füttern die Münchener Emil Bulls ihren Moshpit mit Bangern wie ‘Here Comes The Fire’ oder ‘Happy Birthday You Are Dead To Me’. Die 40 Minuten lassen keine Zeit für lange Zwischenmoderationen, hier wird pausenlos geballert.
Doch wie angedeutet, bedarf es auch danach einer Menge Ausdauer: Spiritbox, Hatebreed, Heaven Shall Burn und schließlich Korn liefern Shows ab, die sich ins Gedächtnis vieler Fans einbrennen werden. Insbesondere Letztere wissen das Publikum dabei gehörig einzuheizen, das zu Hits wie ‘Freak On A Leash’ oder ‘Y’all Want A Single’ aufspringt, während Flammen von der Bühne emporschießen.
Amon Amarth, Blind Guardian und ein würdiges Feuerwerk
Letzter Tag des Reload-Festivals. Einige Gäste sehen inzwischen mehr nach Kadavern aus als nach lebenden Menschen. Vermutlich spielt dabei nicht nur die endlose Party, sondern auch der nicht aufhörende Regen an diesem Morgen eine Rolle. Nach einem Hopfen-Smoothie hier und einem Gerstensaft dort sieht die Sache aber schon wieder anders aus, und auch die Bands wissen gegen das Stimmungstief anzukämpfen.
Nachdem sich Heavysaurus um die musikalische Früherziehung des Metal-Nachwuchses gekümmert haben, steigt in den kommenden Stunden wieder der Grad der Brutalität. Future Palace warten mit Metalcore-lastigen Breakdowns auf und holen für ihren neuen Song ‘The Echoes Of Disparity’ Charlie Rolfe auf die Bühne, Sängerin der später auftretenden As Everything Unfolds.
Zur Mittagszeit ist der Boden der Hauptbühne derart nassgeregnet, dass ein ausgiebiger Moshpit langsam größere Mühen erfordert. Kein Grund für Neaera-Frontmann Benny Hilleke, der sich mit den Worten „Ich guck mir das mal an“ von der Bühne dorthin tragen lässt. Zu hartem Melodic Death Metal bringt er persönlich den Circle Pit wieder in die Gänge und bleibt für mehrere Songs ein Teil davon.
Wie praktisch, denn bei Knorkator, Deutschlands meister Band der Welt, ist ja ohnehin keine Zeit zum Ausruhen. Hier feiert die Menge zu bewährten Songs wie ‘Alter Mann’ oder ‘Zähneputzen, pullern und ab ins Bett’, während die beiden Gesichter der Band, Stumpen und Alf Ator durch die Gegend turnen.
Und schließlich endet auch der letzte Tag mit einem massiven Line-up, das von Motionless In White über Behemoth und Blind Guardian zu Amon Amarth führt. Als Highlight bei Blind Guardian kann ‘The Bard’s Song (In The Forest)’ genannt werden, der wie so oft von Sänger Hansi Kürsch nur angesungen werden muss, ehe die Menge den gesamten restlichen Text zum Besten gibt. Amon Amarth knüpfen daran an, indem sie vom Opener ‘Guardians Of Asgaard’ bis zum Schluss für beste Stimmung sorgen, was schließlich mit dem finalen Reload-Feuerwerk belohnt wird.
Rückkehr zum Reload Festival 2025?
Während auf dem gleichzeitigen Summer Breeze Open Air 45.000 Fans den Metal zelebrieren, bleibt die niedersächsische Alternative überschaubarer, doch nicht weniger mächtig. Gemütlich und doch gigantisch – das macht das Festival seit vielen Jahren aus. Schon auf dem Weg zurück vermisst man das große Tor, auf dem die Worte „Welcome Home“ prangen. Ja, hier ist man wirklich zu Hause. Ganz sicher auch im nächsten Jahr, für das schon jetzt Bands wie Machine Head, Gojira oder I Prevail angekündigt sind.
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