Es ist Mittwoch, der 16. August 2023. Ein Team der METAL HAMMER-Redaktion hat sich bereits auf dem Summer Breeze-Open Air in Dinkelsbühl ausgebreitet, um dort den Abschluss der Festivalsaison zu feiern. Eine Selbstverständlichkeit. Allerdings: Es ist nicht das einzige Metal-Festival, das zu diesem Zeitpunkt beginnt. 520 km weiter nördlich – im niedersächsischen Sulingen – stellen zahlreiche dunkle Gestalten ebenfalls ihre Lager auf: Das Reload Festival geht in die 15. Runde. Mit seinen 14.500 Gästen mag es kleiner sein als das Summer Breeze, bei dem rund 45.000 Metalheads anzutreffen sind. Und doch ist es berüchtigt. Wir verraten euch, was das Event so besonders macht.
Auftakt beim Reload Festival: Kampf gegen das Böse
Nach einer ausgiebigen Party am Mittwochabend wartet am darauffolgenden Mittag die erste Band auf: Grailknights präsentieren sich wie immer in bunten Superhelden-Uniformen. Stolz posierend bereiten sie sich auf den Kampf gegen das Böse vor, das den Namen Skullfist trägt. Klar, dass der hässliche Totenkopf im Lauf der Show draufgehen muss – aber nicht, bevor die offensichtlich hungrige Meute durch Songs wie ‘Laser Raptor 3D’ aufgewärmt wird.
All das spielt sich auf der kleinen „Plazastage“ ab. Leo´nidas – das mächtige Löwen-Maskottchen des Festivals – lässt sich zwar bereits auf dem Tor zum Infield bestaunen, doch dieses bleibt bislang verschlossen. Was bedeutet: Der kleinere Platz vor der Bühne ist nach kürzester Zeit gefüllt. Das schafft eine intime Sphäre, die jedoch teils gar in Enge übergeht. Je später der Abend, desto stärker diese Tendenz. Dennoch: Blind Channel (die Finnland-Vertreter des ESC 2021) scheinen an diesem Abend durch ihre energische Art viele Menschen für sich zu gewinnen. Malevolence überzeugen mit satten, basslastigen Breakdowns. Und die schauderhaften Gemälde von Bastian „Bastibasti“ Sobtzick zieren wie immer die Bühne von Callejon, die mit Songs wie ‘Mary Shelly’, ‘Dunkelherz’ oder ihrem Die Ärzte-Cover ‘Schrei nach Liebe’ die Menge zum Beben bringen. Die besonders Feierwütigen werden anschließend von Pennywise mit rotzigem US-Punk gefüttert.
Tag 2 des Reload Festival: Eine Hexe stirbt
Der nächste Morgen. Festivalfans wissen, wie er aussieht: Nach kurzem und nur leichtem Schlaf wird man gegen 7 Uhr zärtlich von seinen Zeltnachbarn geweckt – mit einem bis zum Anschlag aufgedrehten „Ding Dong – die Hex is tot“, das die nächste Viertelstunde in Dauerschleife laufen wird. Kein Problem, man wollte ja eh nicht viel verpassen: Bereits um 9:45 Uhr starten Excrementory Grindfuckers mit ohrenbetäubendem Geschredder in den Tag. „Es könnte jetzt auch 10 Uhr abends sein“, lautet dabei eine ihrer Ansagen. „Anstelle von uns könntet ihr auch In Flames auf der Hauptbühne sehen.“ Dann der anschließende Song aus voller Kehle: ‘Is aber nich’.
„Hauptbühne“ ist hingegen ein gutes Stichwort: Denn die große „EMP-Stage“ ist ab diesem Freitagmittag eröffnet. Erwartet werden unter anderem Landmvrks aus Marseille, die mit ‘Lost In A Wave’ trotz Mittagshitze den Erdboden erschüttern. Als Berliner, der ursprünglich aus dem Bremer Raum kommt, trifft man in der jetzt schon beachtlichen Menge immer wieder altbekannte Gesichter. Ein schönes Phänomen, das man auf größeren Festivals weitaus seltener erlebt als hier.
Nur wenige Bands später, gegen 18 Uhr, hat sich das Publikum bereits zur ausgiebigen Masse geformt, und springt nun zu Skindreds ‘Gimme That Boom’ synchron zum Rhythmus in die Luft. Sticheleien von Sänger Benji Webbe, die Leute seien wohl noch nicht wach genug, um richtig mitzumachen, sorgen dafür, dass die Fläche nur noch mehr tobt als ohnehin.
Damit dürfte das Publikum aufgewärmt sein für die Party, die anschließend ansteht: Stick To Your Guns, Killswitch Engage, Trivium und In Flames sorgen im Lauf der nächsten Stunden für Headbangen, Moshpits, Schweiß und Freudentränen. Die britischen Sleep Token schließen das Ganze als Special Guest ab, indem sie ominös maskiert und mit fesselnder Licht-Show eine gespenstische Stimmung verbreiten. Eine leichte Gänsehaut begleitet den Weg zurück ins Camp.
Reload Festival: Das wohl beste Klassentreffen der Welt
Samstag, 7 Uhr. Erneut schallt „Ding Dong – die Hex is tot“ mit voller Wucht aus den Boxen. Die Zeltnachbarn haben um diese Uhrzeit bereits fertig gegrillt und bieten einem die Reste als Frühstück an. Diese werden dankend angenommen, um genug Energie für den letzten Tag zu haben. Unter anderem heute auf der Running Order: J.B.O., Sepultura, Guano Apes, While She Sleeps, Beartooth und Powerwolf. Ein ziemlich mächtiges Line-up für ein Festival, das eine Besucherzahl von unter 15.000 Leuten aufweist.
Ist letzteres ein Kritik-Punkt? Absolut nicht! Man benötigt zu Fuß maximal zwanzig Minuten vom Zelt bis zur Hauptbühne – meist weniger. Es kommen viele Leute aus der Region, was dem Festival einen familiären Charakter verleiht. Alles wirkt wie ein Klassentreffen, das über seine Grenzen hinausgeschossen ist. Ein Klassentreffen, bei dem an diesem Abend zu Guano Apes´ ‘Lords Of The Boards’ im Regen getanzt wird. Eines, bei dem Beartooth-Sänger Caleb Shomo mit einer Gitarre durch das Publikum getragen wird. Ein Klassentreffen, bei dem Powerwolf mit Songs wie ‘Beast Of Gévaudan’ ihre epische Metal-Messe abhalten, ehe sie ins finale Feuerwerk überleiten. Es ist das wohl beste Klassentreffen der Welt.
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